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Algerien möchte vom IWF-Tropf loskommen

■ Regierung zeigt sich zufrieden über wirtschaftliche Erfolge nach vier Jahren IWF-Programm. Nationaler Wirtschafts- und Sozialrat ist pessimistisch. Arbeitslosigkeit seit 1994 verfünffacht

Madrid (taz) – Algeriens Regierung zeigt sich zufrieden. Die Währungsreserven der Staatsbank belaufen sich auf 8,8 Milliarden US- Dollar, die Wirtschaft soll dieses Jahr um 4,8 Prozent wachsen und die Inflation unter sechs Prozent sinken. Das Ziel, die nationale Ökonomie wieder zu stabilisieren, scheint erreicht. „Wir haben es nicht nötig, das Abkommen mit dem IWF zu verlängern“, verkündet Regierungschef Ahmed Ouyahia stolz. Er will den Vertrag mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) am 22. Mai auslaufen lassen.

„An dem Tag, an dem Algerien wieder selbständig fliegt, wird niemand glücklicher sein als ich“, sagt IWF-Generalsekretär Michel Camdessus. Trotzdem sähe er es gerne, wenn die algerische Regierung mindestens für ein weiteres Jahr einen IWF-Kredit von 1,5 Milliarden Dollar annähme. Das würde Investoren und Gläubigern mehr Sicherheit vermitteln. Schließlich sei das Hauptexportprodukt Algeriens – das Erdöl – Opfer eines Preissturzes, begründet er sein Angebot.

Ein weiteres Jahr mit dem IWF würde ein falsches Licht auf Algerien werfen, „als wären wir ein Land, daß das Programm nicht bestanden hat“, lehnt Finanzminister Abdelkrim Harchaoui ab. Und Regierungschef Ouyahia rechnet vor, daß Algerien mit seinen Devisenvorräten 13 Monate lang die gesamten Importe bestreiten könne. Keine schlechte Leistung für ein Land, das 80 Prozent seiner Konsumgüter einführen muß. Algerien habe dieser Tage sogar damit begonnen, Kredite abzubezahlen.

1994, als der IWF eingreifen mußte, war das Land nicht einmal in der Lage gewesen, die Zinslasten der 35 Milliarden Dollar Auslandsschulden zu tragen. Das Haushaltsdefizit der Zentralverwaltung lag bei 8,7 Prozent des BIP, die Inflation bei 39 Prozent und das Wirtschaftswachstum bei 1,1 Prozent. Die Industrieproduktion sank unaufhaltsam mit über sieben Prozent pro Jahr.

Ein Umschuldungsabkommen verschaffte Algeriens Wirtschaft Luft. Internationale Kreditinstitute steuerten das nötige Geld bei. Danach setzte das IWF-Programm zur Senkung der Staatsausgaben ein. Staatlichen Betrieben wurden vollends die Zuschüsse seitens der Regierung gestrichen. Die Finanzmärkte wurden liberalisiert, um private Investitionen aus dem In- und Ausland zuzulassen. Ein Großteil der öffentlichen Bauaufträge wurde gestoppt, die Preise für Grundnahrungsmittel freigegeben und die Landeswährung Dinar in zwei Schritten um über 50 Prozent abgewertet. Gleichzeitig wurden die Erdöl- und Erdgasförderung angekurbelt, um die Staatskassen zu füllen. Eine Politik, die auch jetzt weitergehen soll, wo die Erdölpreise fallen.

Was die Regierung gerne verschweigt, davon spricht der Nationale Wirtschafts- und Sozialrat (CNES) in seinem neuen Jahresbericht. Der Lebensstandard in den meisten Haushalten sinkt unaufhaltsam. Verzeichnete Algerien 1989 noch 2.202 Dollar pro Kopf und Jahr, waren es 1996 1.534 Dollar. Die CNES-Experten bewerten die makroökonomischen Erfolge pessimistischer, anders als die Regierung. Solange keine Investitionen getätigt würden, um eine konkurrenzfähige Industrie im Land aufzubauen, seien die Erfolge der Liberalisierung von kurzer Dauer. Bereits jetzt haben 80 Staatsbetriebe vor dem Übergang zur Marktwirtschaft kapitulieren müssen. 164.000 Entlassungen waren die Folge. Die notwendige Modernisierung fordert ihren Tribut. Waren 1991 5,2 Prozent der aktiven Bevölkerung ohne Arbeit, sind es heute 28 Prozent. Aufgeschreckt durch die neuesten Nachrichten aus Südostasien fragt die Tageszeitung Le Matin: „Ist ein Szenario wie in Indonesien auch in Algerien möglich?“ Reiner Wandler

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