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Vom Schweigen nach Auschwitz

■ Ein Symposium des Fritz Bauer-Instituts und der Uni Bremen

Unendlich viel wurde und wird gesagt und geschrieben – nichts aber spricht direkter von Auschwitz als das Schweigen. In allen seinen Facetten. Im Verschweigen, plapperndem Vergessen einerseits, unmittelbar hingegen, wenn es den Zeugen die Sprache verschlägt. In Claude Lanzmans Dokumentarfilm „Shoa“ übt das seine Wirkung auf den Zuschauer aus. In Peter Weiß' Drama „Die Ermittlung“ – verweist es auf offene Möglichkeiten. Im Gerichtsprozeß hingegen bedeutet es einfach nur eine mehr oder weniger peinigende Pause.

Über literarische Reparaturen der Verstörungen, die der Frankfurter Auschwitzprozeß 1964/65 hinterließ, diskutierten am vergangenen Samstag ein paar Historiker und Literaturwissenschaftler im Gästehaus der Uni Bremen. Vorträge über Martin Walsers „Unser Auschwitz“, Peter Weiß' "Ermittlung“, Horst Krügers „Das zerbrochene Haus“, Grete Weils „B sagen“ und Bernd Schlinks „Vorleser“ – die allesamt Reaktionen waren auf die 400 Berichte aus dem KZ und dem Wechsel der Schauer-Schlagzeilen in den Zeitungen.

Die 500 Stunden Prozess-Mitschnitte sind bis heute nicht veröffentlicht. Die Historiker des Frankfurter Fritz Bauer-Instituts, Mitorganisatoren des Symposiums an der Bremer Uni, aber kennen sie. „Oft waren es die langen, manchmal zweiminütigen Pausen auf den Tonbändern“, die am eindrücklichsten waren, bekannte Werner Renz, Leiter der Dokumentationsabteilung. In den Diskurs von Beweis und Urteil gingen sie nicht ein.

In „Die Ermittlung“ hingegen fällt nicht das Schweigen, sondern das Urteil weg. Es gibt kein Strafmaß für Auschwitz, so der Chemnitzer Weiß-Spezialist Alfons Söllner. Der sieht – mit einem fast tollkühn zu nennenden Vertrauen in die Wirkungsmächtigkeit von Literatur – durch diese Lücke im Text eine kollektive Gedächtnisgeschichte in Gang gesetzt, die sich heute in einer zunehmenden Erklärungsnot äußert: „Das Gefühl der Irritation scheint in dem Maße zuzunehmen, wie die historische Distanz gegenüber dem Ereignis wächst“.

Für Martin Walser zumindest trifft Söllners Diagnose nicht zu. Mit seinem fulminanten Aufsatz „Unser Auschwitz“, so argumentierte der Bonner Germanist Holger Gehle, kreierte Walser jenseits allen verschwiemelten Betroffenheitsjargons zwar eine neue Ehrlichkeit – die habe es ihm in den Folgejahrzehnten allerdings gestattet, sich weiterer Fragen zu entledigen. „Auschwitz“ war für den jungen Walser von der Rampe bis hin zu Krupp: „System“ – die öffentliche Sammlung subjektiver Grausamkeiten hingegen bediente allein Entlastungsbedürfnisse. Diese Bedürfnisse aber hat auch Walser selber, glaubt Gehle. Der habe seine Sätze „Ich verspüre meinen Anteil an Auschwitz nicht. Das ist ganz sicher.“ bitter ernst genommen. Heute schweige Walser zu Auschwitz weitgehend und plädiere für ein neues deutsch-jüdisches Nationalbewußtsein. ritz

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