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Bohemiens unter sich

■ Die unglaublich elegante Bar-Musik von The Karelia im Golden Pudel Club

Ganz kultiviert kommt der Ex-Theologiestudent Alex Huntley daher, der dunkle Anzug sitzt, der geübt melancholische Gesichtsausdruck auch. Das Lied, das er singt, heißt „Exaggerations“, und übertrieben laut hören wir an seinem Ende den Sänger an der Zigarette ziehen und die Eiswürfel im Glas schütteln. Details wie diese machen den Reiz von Divorce At High Noon, dem Debütalbum von Huntleys Band The Karelia, aus. Barmusik ist das, aber sie spielt in nicht nur einem Etablissement. Mal klingt sie nach einer verruchten Kaschemme, in der sich auch Gallon Drunk wohlfühlen, mal lädt sie zum entspannten Lounging ein, dann wieder wäre sie mit ihren sarkastischen Texten auf einer Kabarettbühne nicht fehl am Platze.

Mit Barmusik kennt sich Huntley von Berufs wegen aus: Er leitet in Glasgow den 13th Note Club, einen der Fixpunkte der äußerst aktiven Indie-Szene der schottischen Metropole. Vermutlich hat sich Huntley unter den Gästen des Clubs die passenden Musiker für seine Vorstellungen gesucht, die er in Nostalgia mit dem Bekenntnis „I like old-fashioned music“, aber auch mit der Aufforderung „Let's redefine the past“ zusammenfaßt. In Trompeter Allan Wylie hat er dabei einen ganz besonderen Fang gemacht. Vielleicht stand eines Abends auch der Mann an der Bar, den sie Bid nennen. Vielleicht erzählte der nostalgisch von seiner Band The Monochrome Set, mit der er einst an einer an Anspielungen ähnlich überbordenden Pop-Version arbeitete. Jedenfalls produzierte Bid die Platte von The Karelia, die kurioserweise bei dem mit Metalveröffentlichungen bekannt gewordenen Label Roadrunner herausgekommen ist.

Wenn die delikaten Arrangements der Band den widrigen Auftrittsbedingungen im Golden Pudel Club widerstehen sollten, treffen dort unterschiedliche Vorstellungen von Boheme-Verhalten aufeinander: die Schotten, die sich den Beobachtungen des exzentrischen Einzelgängertums verschrieben haben, zu Gast an einem Ort, dessen Protagonisten dem gemeinschaftlichen Aktivismus wieder zu Recht verhelfen wollen. Schon möglich, daß sich solche Unterschiede nach dem Konzert an der Bar relativieren.

Felix Bayer

Do, 28. Mai, 23 Uhr, Pudels

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