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Daimler-Benz hat Spendierhosen an

■ Sonderausschüttung aus Rückstellungen soll Aktionären Kapitalerhöhung versüßen

Stuttgart (taz) – Jürgen Schrempp ist der Michael Jackson unter den Vorstandsvorsitzenden. Der Beifall der rund 14.000 Aktionäre auf der Hauptversammlung der Daimler-Benz AG war phantastisch. Der „Wille zum Sieg“ zeichne nicht nur die Formel-1- Fahrer Mika Häkkinen und David Coulthard aus, die ihre Rennen mit Mercedes-Boliden gewinnen, konstatierte Schrempp. Beseelt vom „gemeinsamen Willen zum Sieg“ sei heute auch der ganze Konzern.

Tatsache ist, daß Konzern und Aktiengesellschaft unter Schrempp wieder schwarze Zahlen in die Bilanzen schreiben können. Mehr als 11 Milliarden Mark betrug der Bilanzgewinn 1997. Und dieser wird zur außerordentlichen Freude der Aktionäre als Dividende von 1,60 Mark komplett ausgeschüttet. Noch besser: Pro Aktie gibt es 20 Mark Sonderzahlung. Insgesamt fließen so 10,3 Milliarden Mark an die Aktionäre. Dieses Geld kommt aus Rückstellungen in Höhe von 7,4 Milliarden Mark, die der Konzern seit den 80er Jahren gebildet hatte, sowie aus dadurch gesparten Steuern von 2,9 Milliarden Mark.

Mit dieser exorbitanten Sonderausschüttung machte Daimler seinen Aktionären eine Kapitalerhöhung von 7,4 Milliarden Mark noch im Juni schmackhaft. Denn diese wird den Wert der Daimler-Aktien zunächst einmal verwässern. Eine weitere Kapitalerhöhung via Aktienausgabe in Höhe von 50 Milliarden Mark soll ausschließlich der Vermögensbildung der Daimler- Mitarbeiter dienen. Es herrschte also Hochstimmung bei Vorstand, Aufsichtsrat, Aktionären und Mitarbeitern.

Der Coup mit Chrysler sorgte zusätzlich für Euphorie: „Das ist ein transatlantischer Brückenschlag, ein Zusammenschluß des Wachstums und nicht der Rationalisierung“, gab sich Schrempp begeistert. Während sich BMW und VW öffentlich um Rolls Royce balgten, hätten Daimler und Chrysler stillgehalten und so „die Welt“ positiv überrascht. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im Herbst sollen die Aktionäre die Fusion absegnen und vielleicht auch schon die Zusammenarbeit mit Nissan bei der LKW-Produktion.

Daß Daimler auf dem PKW- Sektor fusionieren muß, wenn der Konzern – angesichts der Globalisierung der Märkte – weiter wachsen will, verschwieg Schrempp nicht. Mercedes-Benz als „Premiummarke“ könne eben nicht unbegrenzt gebaut werden. Um VW- oder BMW-Rolls Royce demnächst das Leben schwerzumachen, erwägt Daimler auch, den legendären Mercedes-Benz Maybach wieder zu bauen. „Dann wird das exklusive Luxussegment in Zukunft von einem Fahrzeug definiert, das den Stern trägt“, so Schrempp. Was er und seine Vorstandskollegen im Daimler-Crysler-Konzern demnächst verdienen werden, ist allerdings ein Betriebsgeheimnis. Rund 20 Millionen Mark wie Chrysler-Boß Robert Eaton? Oder doch „nur“ die in Deutschland üblichen rund 2 Millionen Mark. Zum Ärger der Arbeitnehmervertreter gab es nach dem Deal mit Chrysler bereits Sonderzuweisungen für Vorstandsmitglieder und Topmanager. Auch zu den mutmaßlichen steuerlichen Vorteilen für Daimler durch die Fusion wollte sich Schrempp gestern nicht äußern. Unklar ist außerdem die Struktur der Arbeitnehmervertretung im Daimler-Chrysler-Konzern.

Wasser in den trockenen „Württemberger“, der in der VIP- Lounge ausgeschenkt wurde, gossen die kritischen Aktionäre. Sie plädierten allerdings vergeblich auf Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat vor allem wegen der Produktion von „Panzerabwehrrichtminen“. So griff etwa Eva Grässlin aus Freiburg Schrempp direkt an, der diese Minen als „automatisierte Panzerfäuste“ verharmlost habe. Gegenanträge der Kritischen richteten sich auch gegen die Modellpolitik von Daimler im PKW-Bereich: zu schwer und zu durstig. Klaus-Peter Klingelschmitt

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