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Anschwellender Würstchengesang Von Benjamin v. Stuckrad-Barre

Was im letzten Sommer der „Elchtest“ war, im Frühjahr dann die „Nußecke“, das ist nun: Viagra, ein Wort für alle Gelegenheiten. Komödianten, die mit sogenannten Programmen auf Bühnen stehen, können noch so zäh witzeln – sie brauchen bloß VIAGRA zu sagen, schon ist das Lachen ein lautes. Das Rechtschreibprogramm von Windows 97 kennt den Elchtest noch nicht, aber das nächste Windows wird den Elchtest erkennen. Ach ja, Elchtest, wird es denken. Und die Komödianten? Die sind froh, daß kurz vor Ende Kohl mit Viagra nun Ersatz geflogen kommt.

Viara läßt alles anschwellen. Und genau wie Elchtest und Nußecke dient es allerlei Aufsatzschreibern als Vehikel für Gedankenreihungen, die spätestens im zweiten Absatz das Ganze beleuchten: unsere Sprache, unser Land, unsere Welt, unsere Zukunft, unsere kleine Farm zur Not auch. Sogar Herzog-Bonmots mit Viagra soll es schon geben, da ist der ja schneller als die Windows- Programmierer, und sein Unwort „Umsetzungsstau“ gewinnt in diesem Kontext an Schärfe. Gut, daß auch die Kirche gleich am Start ist. Einer dieser lustig wächsernen Vorort-Theologen betete für G. Horn – und nun aber alle: gegen Viagra. Nur Verheiratete dürften (müssen?) nach Gutdünken und Kunstdüngen ficken, bis der Augen- oder Herzarzt kommt.

Illustrierte aller Art finden aber Viagra gut: endlich mal wieder ein halbwegs triftiger Grund für Titten auf dem Cover. Wobei ja wirklich auffällt, daß die Titten auf dem Spiegel immer viel kleiner sind als die auf dem Stern, dafür sind auf dem Spiegel öfter Popos zu sehen.

Seid ihr alle da? Jaja. Sogar Horst Tappert läßt aus dem Ruhestand heraus verlauten, Harry könne die Gliedmaßen gleich wieder einfahren, denn Viagra sei „absoluter Mumpitz“. Fehlt nur noch die Autorin des Buches „So sehe ich das!“, Alice Schwarzer. Die sieht das so: Viagra „fixiert Männer auf ein dumpfes Reinraus“. Das ist interessant. Natürlich bedingt das Reinraus eine gewisse Monotonie, zumal auf Dauer; banal ist es allemal, aber wie sonst soll das gehen? Rein und noch reiner? Porentief rein? Raus und draußen bleiben (gar nicht erst rein)? Das muß doch auch Schwarzer wissen, die zwar im PEN-, nicht aber im Penis-Club dabei ist. Das weiß man halt. Schwarzer weiß nur: „Jedes Würstchen ein Tarzan.“ Leider ist Schwarzer selbst bloß eines, und meistens ein beleidigtes. Ein dröges Maskottchen, das mit immer wieder erstaunlicher Ernsthaftigkeit auf den Plan tritt und Bild vollkommentiert, denn die immerhin nennt sie „Deutschlands berühmteste Feministin“, und das tut natürlich gut. Wenn es um mal wieder nur Busen geht, lädt man mittlerweile Ina Werner ins Fernsehen ein, wenn es um Frau und aber auch Beruf geht (+ Kinder!), eben Hera Lind, beim Thema dritter Frühling: Inge Meysel, zunehmend auch Uschi Glas. Und wenn es um alles geht, dann Alice im Wundenland: Viagra „scheuert Körper und Seele wund“.

In einem Punkt allerdings hat Schwarzer recht: Wenn Männer zu lange können, wird es dumpf. Peter Ustinov ist das beste Beispiel, laut Bild hat der am Dienstag auf WDR 2 „drei Stunden lang Anekdoten erzählt“. Dann doch lieber drei Stunden Reinraus. Viagra für Ustinov, Schwarzer in die Produktion!

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