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1. Mai-Demonstration – aus dem Wall-Café gesehen

■ „Erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ durch PKK-Fahne

Einige tausend DemonstrantInnen fanden am 1. Mai dieses Jahres, sie wären auf einer bis zur Wirkungslosigkeit friedlichen Demonstration. Was die wenigsten mitbekommen haben dürften: Die Polizei filmte den Demonstrationszug aus einem versteckten Fenster des Wall-Cafés heraus. Der taz wurden jetzt die hier veröffentlichten Fotos zur Verfügung gestellt, die die Szene festhalten.

„Eine Riesensauerei“, sagt die DGB-Vorsitzende Helga Ziegert spontan, als sie einen Blick auf die Fotos geworfen hatte. Der DGB als Veranstalter wußte nichts von der polizeilichen Beschattung: „Die haben unseren Demonstrationszug gefilmt“. An der Spitze der Demonstration war der Bürgermeister Henning Scherf neben der DGB-Vorsitzenden am „Tag der Arbeit“ marschiert.

Vor Jahren, erinnert sich die DGB-Vorsitzende, war die polizeiliche Filmerei schon einmal aufgefallen und auch über eine Intervention der Gewerkschaft der Polizei abgestellt worden.

Dieter Oelschläger, der derzeitige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, erinnert sich daran nicht – das war vor seiner Zeit. Als ehemaliger Leiter des polizeilichen Dokumentationstrupps hat er Verständnis für die Kollegen. Es gehe um „präventive“ Dokumentation, sagt er und vermutet, daß der Polizeibeamte die Video-Kamera nur in Bereitschaft gehalten hat für den Fall, daß was passiert, das zur Beweissicherung dokumentiert werden müsse, etwa ein Farbbeutel. Warum gerade an dieser Stelle im Wall-Café, das weiß Oelschläger auch nicht.

Der Fotograf Norbert Klockgether, der vom Demonstrationszug aus den filmenden Polizisten oben im Wall-Café entdeckt hatte, war die Treppe hinaufgegangen und hatte dann den immer noch filmenden Polizisten einige Minuten lang beobachtet und seinerseits fotografiert. Von „in Bereitschaft halten“ hatte er nichts bemerkt. Nur als der Polizeibeamte etwas verunsichert feststellte, daß er da entdeckt und seinerseits fotografiert wurde, habe der die Video-Kamera kurz abgesetzt, sagt der Fotograf Klockgether. Offensichtlich habe er nicht eine einzelne Szene, sondern mindestens ganze Teile des Demonstrationszuges aufgenommen.

Auf die Frage, womit diese Form der Überwachung gerechtfertigt sei, verweist das Polizeipräsidium auf eine PKK-Fahne, die während des Demonstrationszuges getragen wurde. Es habe keinen „Bedo“-Trupp gegeben („Beweis-Dokumentation“), sondern ein Beamter habe mit seiner Dienst-Kamera diese verbotene Fahne aufgenommen. Es sei Strafanzeige erstattet worden.

Nach § 12 Versammlungsgesetz sei das Filmen einer Veranstaltung erlaubt, wenn von ihr „erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen“. Auf die Frage, ob eine Fahne eine erhebliche Gefahr darstellen könne, meinte der Vertreter der Polizeipressestelle: „Diese Fahne ja.“ Falls der Demonstrationszug über längere Zeit hin gefilmt worden sei, dann würden diese Aufnahmen nach der Auswertung für das laufende Strafverfahren vernichtet.

K.W.

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