: Schöpflöffel am Kiosk
■ Verkaufstrend im Printregal: Krempel, dem auch ein Heftchen beiliegt
„Mit dieser Ausgabe erhalten Sie: ein Bett im Stil der Epoche“. So steht es auf dem Umschlag der Zeitschrift Das Puppenhaus. Die deutsche Ausgabe vertreibt die Hamburger Firma „Meyer Direkt“ und Das Puppenhaus liegt seit Jahresbeginn monatlich am Kiosk und versperrt den Platz für Zeitschriften, in denen es auch etwas zu Lesen gibt.
Das Puppenhaus ist nämlich ein Heft, das aus genau acht Blättern besteht und ansonsten einen dicken Pappdeckel, eine vorgestanzte Sperrholzplatte, ein Stück Schaumstoff und einen Fetzen häßlich bedruckten Bettuchstoffes enthält. Fertig. Was daran noch Zeitschrift ist, konnte auf Anfrage nicht mal „Meyer Direkt“ erklären. „Naja, man kann es halt abonnieren, oder?“ stottert die nette Mitarbeiterin. Zumindest weiß sie, daß es „genau 100 Ausgaben geben soll. In Nr. 4 sind zum Beispiel „ein Waschbecken, Wasserhähne, Griffe und eine Tapete“ drin.
Immer öfter beglücken uns Verlage mit wichtigen Dingen, die uns der Kiosk bisher vorenthielt: Mit Parfüm zum Beispiel. Parfüm gibt es jetzt jeden Monat neu in Das Parfüm, einer tollen „Zeitschrift“ mit genau zehn Seiten, einem Umschlag und einem Parfümpröbchen. Früher gab es sowas nur als Beilage zu dicken Illustrierten, für die man auch ohne Flakon sechs Mark bezahlt hätte. Heute ist der Flakon die Hauptsache und das Magazinchen liegt dumm dabei.
Klar haben wir früher alle Yps nur wegen des „Gimmicks“ gekauft (unvergessen: „Das wasserdichte Campingzelt“, das ein blauer Müllsack mit zwei Öffnungen war.) Aber in Yps waren wenigstens Comics drin. In Das Puppenhaus hingegen sind nur zwei Blätter „Bastelanleitung“ und sechs Blätter „Die schönsten Puppenhäuser von Sammlern“. Darum ist sowas auch keine „Zeitschrift im Sinne des Pressegesetzes“ mehr, weshalb der Preis (11,90 Mark) auch aufgeklebt, statt aufgedruckt ist und den Vermerk „Unverbindliche Preisempfehlung“ trägt. Wenn Video aktuell hingegen die Originalkassette von „Kickboxer 145“ beilegt, hat das Blatt immer noch einen Haufen Seiten und gilt als Printmedium. Ebenso ist es mit der CD, die seit Juni 1995 in dem Musikmagazin Rolling Stone steckte. Das ist aber nun wieder vorbei. „Es lohnt sich nicht mehr“, sagt Redakteur Dirk Matzke. Software- und Computerhefte überbieten sich derweil mit kostenlos eingehefteten Scheibchen. Unterschiede aber auch hier: Nicht alles, was DIN-A-4-Format hat, am Kiosk steht und eine CD- ROM angeklebt hat, ist auch eine Zeitschrift. Immer mehr Vertriebsfirmen tun nur so, als böten sie eine Zeitschrift feil: ein Stück aufklappbare Pappe, zwei Seiten großgedruckte Anleitung und die CD in Folie eingeschweißt: Fertig ist das Kiosk-Produkt. „Hier erreichen wir einfach viel mehr Laufkundschaft“, wissen die Softwarefirmen. Es wird bald immer mehr branchenfremde Artikel im Zeitschriftenregal geben, prophezeien Großhandelsexperten.
Der Anfang ist schon gemacht; Sammelordner mit „Tips für den Gartenfreund“, Video-Editionen, das Stück für 39,90 Mark. Die Sammelzeitung Pasta mit Nudeln und Käseraspel als Beilage sind nur Vorboten des neuen Trends. Kioskbesitzer sehen das mit Unwillen: „Die Dinger passen in kein Regal mehr!“ schimpft Anja Große, Geschäftsführerin eines kleinen Frankfurter Presse-Lädchens. „Für alles muß man Extra- Verkaufsständer aufbauen, die Zeitschriften fallen aus den Regalen. Ständig werden die CDs aus den Heften rausgeklaut, und wie bitte soll ich eine Zeitschrift stapeln, der eine Portion Hundefutter oder ein Spaghetti-Schöpflöffel beigelegt ist? Das bleibt doch nie übereinander liegen!“ Verbannen will sie die sperrigen Produkte aber auch nicht: „So Zeug wie Das Puppenhaus oder Parfüm verkauft sich zwar furchtbar schlecht, aber der Kram wird schließlich sogar im Fernsehen beworben. Also muß ich ihn den Kunden auch anbieten, sonst heißt es nachher, bei mir gibt es nicht alles!“ Frank M. Ziegler
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