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Press-SchlagWarten auf ein Ufo

■ Nach seinem Ausschluß aus Englands WM-Kader muß Paul Gascoigne weinen

Wenigstens die Spice Girls hängt Paul Gascoigne noch ab. Die Nachricht, daß eine rothaarige Sängerin namens Ginger Spice die berühmte Popgruppe verläßt, bewegt Großbritannien durchaus zutiefst – doch verdrängt von den Titelseiten der britischen Tageszeitungen wurde Ginger Spice gestern von Paul, Crazy Spice, Gascoigne. Englands derzeit bekanntester Fußballer wurde nicht für die in neun Tagen startende Weltmeisterschaft nominiert.

Gascoigne (31) sei nicht in der körperlichen Verfassung, um England bei dem Turnier in Frankreich helfen zu können, begründete Nationaltrainer Glenn Hoddle den Ausschluß seines exzentrischen Spielmachers aus dem WM-Kader. Gascoignes Probleme waren für jeden sichtbar, zuletzt in der vergangenen Woche beim Training mit der Nationalelf in La Manga/Spanien, wo er bei heißen Temperaturen im langärmligen Pullover schwitzte, um überflüssige Pfunde loszuwerden.

Gazza, wie sie ihn in England rufen, hatte die Frage, wie fit er sich fühle, nur mit seinem typischen Humor beantwortet: „Wie ich mich fühle? Wie ein Kebab. Mit Zwiebeln.“ Unlängst war er mehr durch nächtliche Ausflüge zum Karaoke- Singen und Kebab-Essen als durch fußballerische Tricks aufgefallen. Doch hatte bis gestern nahezu niemand Hoddles Drohungen ernst genommen, auch ein Gascoigne habe sein Flugticket nach Frankreich nicht sicher, wenn er sich nicht in Form bringe. „Du kannst ihn nicht draußen lassen, er ist der einzige clevere Mittelfeldspieler, den England hat“, sagte etwa Hoddles Vorgänger Bobby Robson. Diese Ansicht schien niemand mehr als Hoddle zu teilen, der bis gestern in Treue fest zu Gascoigne stand, obwohl der ihm dies mit ständigen Eskapaden dankte. Ab und an schimmerte sein enormes Talent durch, etwa im Oktober 1997, als er England in Rom beim 0:0 gegen Italien zur WM-Qualifikation führte. Ständig jedoch war er verletzt, und sein für einen Sportler selbstzerstörerisch anmutender Lebensstil mit regelmäßigen Trinkexzessen half seiner Genesung wenig. Als er am Freitag im letzten Testmatch vor der WM gegen Belgien (0:0) nach 50 Minuten schon wieder mit einer Muskelverhärtung ausschied, gab Hoddle ihn auf.

Glenn Hoddle hat eine tapfere Entscheidung getroffen, und er wird wissen, daß eine einsame daraus werden kann, sollte England in Frankreich keinen Erfolg haben. Dann wird man ihn immer an den Tag erinnern, als er Gascoigne wegschickte. „Bis er nicht seine alte Spritzigkeit zurückgewinnt, werden wir nie das Beste von ihm sehen“, verteidigt sich Hoddle gegen all die, die behaupten, man hätte ihn nach Frankreich reisen lassen müssen in der vagen Hoffnung, er werde schon irgendwie seine Form wiederfinden.

Paul Gascoigne verließ am Sonntag abend das Trainingsquartier in La Manga weinend. „Ich kann das nicht glauben“, war alles, was von ihm zu hören war, und es wird ihm ein schwacher Trost sein, daß sein „größter Traum“ immer noch in Erfüllung gehen kann. Dieser, enthüllte er kürzlich, sei nämlich nicht, die WM zu gewinnen, sondern „einmal ein Ufo zu sehen“. Ronald Reng, London

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