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Radio Gaga

■ Der Stilmix des japanischen Eklektikers Cornelius ist bestens durchdacht

Gaga, aber ganz großartig – so lautet die verbreitete erste Reaktion auf Fantasma, dem ersten Album von Cornelius, das in Europa und den USA erschienen ist. Cornelius ist das alter ego des Japaners Keigo Oyamada, der in seiner Heimat schon länger so eine Art Popstar ist. Trotz oder wegen des atemberaubenden Stilmixes, mit dem er die angesprochene Verwirrung unter den Hörern auslöst – selbst in dieser Zeit, in der das Auflösen von Genregrenzen durch Beck und Cornershop schon fast zur Normalität geworden ist. Doch so überkandidelt wie auf Fantasma Breakbeats, Gitarrennoise, Casioklassik, Radiostimmen und was weiß ich noch alles ineinanderfallen, das ist wirklich unerhört.

Nick Currie, an dessen Verhält-nis zur eigenen Kunstfigur Momus die Beziehung zwischen Oyamada-san und Cornelius erinnert, hat eine treffende Erklärung zur Hand: „Es ist im bestmöglichen Sinne Grafikdesigner-Rock: Es geht um die De- und Rekontextualisierung von musikalischen Quellen.“ Da werden die Beach Boys oder Clash genannt, Soundmodelle von My Bloody Valentine, den Beastie Boys oder Drum'n'Bass aufgegriffen. Man braucht gar nicht in gängige Japanklischees verfallen, um Parallelen zu Pizzicato Five, den Nachbarn in der Shibuya-Szene von Tokio, zu ziehen.

Nicht zuletzt hat Cornelius mit diesen das Faible für die schillernde Oberfläche gemein: „Mir geht es nicht um eine tiefere Message, nur darum, mich und meine Fähigkeiten auszudrücken“, läßt Cornelius seinen Dolmetscher sagen. Doch auch ohne den Theorieüberbau eines Sean O'Hagan von den High Llamas, der auf Fantasma natürlich auch nicht fehlen darf, der alte Hybridfuchs, scheint Cornelius' Hypermodernität länger strahlen zu können als Pizzicato Five.

Im MarX werden vier Musiker und ein Videomixer angekündigt und es bleibt zu hoffen, daß die akustischen Voraussetzungen stimmen. Denn bei einem Konzert in Tokio gerieten die Schallwellen wegen der langen Strecke, die sie zurücklegen mußten, aus dem Takt. Und das mag Cornelius trotz des großen bunten Genre-Durcheinanders gar nicht, denn das ist verdammt durchdacht und überhaupt nicht gaga. Felix Bayer mit Solex: Fr, 5. Juni, 21 Uhr, MarX

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