Differenzen unter den Gelöbnisgegnern

■ Kaum Randale beim Rekrutenaufmarsch. Bloß die Linke zoffte sich

Berlin (taz) – Jürgen Trittin zog sein grimmigstes Gesicht. „Der Plan, das zweite öffentliche Gelöbnis in Berlin durchzuführen, ist gescheitert“, sagte der grüne Parteisprecher auf der Kundgebung des Bündnisses „Gelöbnix 98“. Das Gelöbnis sei ein „mobiler Kasernenhof unter Polizeischutz“.

So sehr sich Trittin aber unter vereinzelten Heuchlerrufen bemühte, die Militarisierung des öffentlichen Raumes zu geißeln, sowenig war es den Gelöbnis-Gegnern gelungen, zum Protest zu mobilisieren. Nur etwa 1.500 Personen demonstrierten gestern nachmittag gegen das Geloben von dreihundert Rekruten vor dem Roten Rathaus der Hauptstadt. Die Polizei hatte im Vorfeld 6.500 Demonstranten erwartet. Doch das, erklärte Christian Herz, Sprecher der Berliner Kampagne gegen die Wehrpflicht, habe offenbar nur dazu gedient, den überzogenen Einsatz von mehr als 2.000 Polizeibeamten zur rechtfertigen.

Daß die Kundgebung überhaupt in Sichtweite des Roten Rathauses stattfinden konnte, war dem Berliner Oberverwaltungsgericht zu verdanken. Es hatte am Vortag entschieden, daß die Bundeswehr keinen Anspruch habe, das Gelöbnis „ausschließlich vor einem ihr wohlgesonnen Publikum“ durchzuführen.

Gestört wurde indes mehr die politische Harmonie unter den Gelöbnisgegner selbst. Im Vorbereitungsbündnis aus Initiativen, Gewerkschaften und Parteien hatten sich zwar diejenigen durchgesetzt, die auch Parteivertreter wie Trittin oder Gregor Gysi hören wollten. Nun aber revanchierten sich Autonome und Linksradikale. Der Journalist Jürgen Elsässer warf Trittin vor, mit dem Bundeswehrfreund Joschka Fischer gemeinsame Sache zu machen.

Die Einigkeit der Demonstranten wurde erst wiederhergestellt, als die Polizei kurz nach Beginn des Glöbnisses den Stromgenerator des Lautsprecherwagens abstellte. Die Störung durch die Gelöbnisgegner war so groß, daß die militärische Zeremonie vor dem Roten Rathaus zeitweise akustisch überlagert wurde. Uwe Rada