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AnalyseKlares Ja zur A-Bombe

■ Nato eskaliert Atomwaffenpolitik

Das öffentliche Interesse an der heute in Brüssel beginnenden Sitzung der Nato-Verteidigungsminister richtet sich vorrangig auf die angekündigten Beschlüsse zum Thema Kosovo. Doch mittelfristig von noch größerer Brisanz ist der Tagesordnungspunkt „Atomwaffen“. Im morgigen Abschlußkommuniqué wird er sich höchstens mit einigen dürren Sätzen niederschlagen: einer erneuten Verurteilung der jüngsten Tests durch Indien und Pakistan sowie dem harmlos klingenden Hinweis auf die „andauernde Überprüfung“ der Atomwaffendoktrin der Allianz. Eine Neufassung soll Anfang April nächsten Jahres verabschiedet werden.

Nach dem bislang vorliegenden internen Entwurf bleibt die Allianz unbeschadet aller einschneidenden Veränderungen seit 1989 auch künftig bei sämtlichen Kernelementen ihrer bisherigen A-Waffenpolitik. Das gilt für die Drohung mit dem Ersteinsatz wie für die Politik der „nuklearen Teilhabe“ im Bündnis. Auch die Möglichkeit zur Stationierung von A-Waffen auch in den bislang 13 und ab April 16 nichtatomaren Mitgliedsstaaten der Allianz bleibt bestehen.

Nach Auskunft eines an den internen Diskussionen beteiligten hohen Nato-Vertreters wird im Entwurf zur künftigen Doktrin „das Festhalten an der Option auf den Ersteinsatz atomarer Waffen begründet mit neuen Nato-Aufgaben zur offensiven militärischen Counterproliferation“. Dies sei „Teil der derzeit vorbereiteten Doktrin des Bündnisses zur Handhabung von Krisen außerhalb des Nato-Vertragsgebietes“. Laut Auskunft des Nato-Vertreters „sieht die künftige Doktrin den Einsatz von Atomwaffen vor, um feindliche Regierungen in Krisenregionen ihrerseits vom Einsatz atomarer, chemischer und biologischer Massenvernichtungsmittel sowie dazu benötigter Trägersysteme abzuschrecken“. Es sei „das Ziel, den Aktionsspielraum der Nato-Streitkräfte zu vergrößern, damit sie ihre Out-of-area-Aufgaben erledigen können“.

Diese Politik steht in diametralem Gegensatz zu einer gemeinsamen Erklärung, die Schweden, Südafrika, Brasilien, Mexiko, Irland, Neuseeland und Slowenien am Dienstag unter dem Eindruck der indisch-pakistanischen Tests und mit Blick auf die Tagung der Nato-Verteidigungsminister veröffentlichten. Unter der Überschrift „Auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt: es ist Zeit für einen neuen Ansatz“ fordern die acht Staaten von den fünf offiziell anerkannten Atomwaffenmächten – USA, Frankreich, Großbritannien, Rußland und China – sowie den „atomwaffenfähigen“ Ländern Indien, Pakistan und Israel die „eindeutige Verpflichtung zur raschen, totalen und endgültigen Vernichtung ihrer Arsenale und Kapazitäten“. Als erste „praktische Schritte“ werden gefordert: Verzicht auf die Ersteinsatzoption, Deaktivierung einsatzbereiter Sprengköpfe sowie der Abzug aller nichtstrategischen Atomwaffen. Andreas Zumach, Genf

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