■ Querspalte: Trauriger Haufen
Auf dem Cover seines Buches sieht Guido Westerwelle aus wie eine Eule, aber eine glatte diesmal. Das Licht war gnädig, und so sieht man die Pickelkrater fast gar nicht, vielleicht heißt das Buch deshalb „Neuland“. Inhaltlich kann der Titel nicht gemeint sein: Die Gutmenschen geißelt Westerwelle, was natürlich ein außerordentlich langweiliger Vorgang ist. Netterweise nennt er sogar Namen: „Sie heißen Vollmer, Süssmuth, Blüm und Dreßler, Geißler und Rau.“ Yeah, das sitzt. Diese Menschen seien nicht gut, sondern spielten bloß gut, und das auf Kosten, na, Sie können es sich schon denken. Das Lektorat hätte ruhig mal leistungsbereit sein können. Westerwelle sucht den „Einstieg in einen Politikwechsel“. Angesichts der aktuellen Umfragewerte ist das wohl eine realistische Einschätzung – entweder Opposition oder gar nicht rein, da ist ein Politikwechsel dann ja irgendwie zwangsläufig, selbst in seiner Partei; oder dem, was dann davon übrigbleibt außer subversiven Studenten, die derzeit (in) die Landesverbände eintreten.
„Der römische Reiter Martin“ ist für Westerwelle jemand, der es richtig gemacht hat – Mantel zerteilt auf eigene Kosten, „wer teilt, übt selbst Verzicht!“. Schon lustig, wie Westerwelle zunächst auf die Gutmenschen eindrischt, die den Abbau des Solidaritätszuschlags womöglich bloß deshalb kritisieren, weil das ja dann schon rein sprachlich ein Abbau der Solidarität wäre, hoho, um wenige Zeilen weiter nun selbst zutiefst nächstenbesorgt in „der Bevölkerung“ eine „Verunsicherung“ auszumachen, die „zunehmend Züge von Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit“ annehme. Die FDP ist ein trauriger Haufen und Westerwelle immerhin noch amüsant, als leistungsbereiter Lyriker etwa: „Fischerismus“, „Schwarze Sonne“, „Fliehkräfte der Individualisierung“. Puh. Auch dabei die Klassiker „Portokasse“ und „aufgedunsener Staat“. „Simple Storys“ wäre eigentlich ein viel besserer Titel als „Neuland“ gewesen. Aber das gibt es ja schon. Benjamin v. Stuckrad-Barre
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