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Ausländerpolitik: Nächster Versuch

■ Der CDU-Landesvorstand versenkt das heftig umstrittene Papier zur Ausländerpolitik im Papierkorb. Neuer Entwurf bis Herbst geplant

Gehen Sie zurück auf „Los“ – hieß es am späten Montagabend für die ausländerpolitischen Antreiber der CDU. Gemeinsam hatten Landesvorstand und Landesausschuß den Beschluß gefaßt, ein ausländerpolitisches Papier, das ob seiner scharfen Formulierungen Aufsehen erregt hatte und das zum Beschluß auf der Tagesordnung stand, in der Versenkung verschwinden zu lassen. „Das Papier ist anderthalb Jahre alt, immer wieder verändert worden und inzwischen inhaltlich überholt“, erklärte CDU-Sprecher Matthias Wambach gestern die Entscheidung der Gremien.

Die ChristdemokratInnen setzen nun auf einen neuen Anlauf in der Ausländerpolitik. Nach dem Streit, den Innensenator Jörg Schönbohm mit seinen Äußerungen über „Ghettos“, in denen man sich nicht mehr „wie in Deutschland“ fühle, provoziert hatte, will man Schnellschüsse und zugespitzte Formulierungen vermeiden. Bis zum Herbst soll deshalb ein komplett neues Positionspapier entworfen werden. Zunächst wolle man jetzt aber die Ergebnisse der Innenstadtkonferenzen abwarten.

Wer die neue Redaktionsgruppe bilden soll, ist noch unklar. Das bisherige Papier lag in der Verantwortung einer AG aus dem innenpolitischen Sprecher Roland Gewalt, dem Kreuzberger CDU- Mann Kurt Wansner und dem jetzigen Tempelhofer Bürgermeister und bisherigen Scharfmacher der Union, Dieter Hapel, einerseits, den eher liberalen Unionsmitgliedern Christian Zippel und der Ausländerbeauftragten Barbara John auf der anderen Seite. Der Entwurf allerdings stammt aus den Federn der ausländerpolitischen Hardliner. Kritisiert wurde er sowohl von rechts als auch von links.

Eine inhaltliche Richtungsentscheidung möchte in dem Beschluß keine ChristdemokratIn sehen. Auch CDU-Vorstandsmitglied und Bezirksbürgermeister in Mitte, Joachim Zeller, betonte gestern: „Die Haltung der CDU zu den nichtdeutschen Bürgern liegt im Spannungsbogen zwischen Jörg Schönbohm und Barbara John. Beide hatten das bisherige Papier getragen.“ Man habe mit dem Beschluß nur aktuellen Entwicklungen Rechnung tragen wollen. Rücksicht nehmen wollte man, so Parteisprecher Wambach, zum Beispiel auf aktuelle Diskussionen in der Bundes-CDU über die Kinderstaatsangehörigkeit.

Dennoch ist der beschlossene Neubeginn nicht frei von politischen Wegweisern. CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky gab dabei am Montag die Richtung an. Falls sich der eine oder andere veranlaßt sehen sollte, eine zugespitzte Diskussion zu führen, so Landowsky, sollte beachtet werden, daß Berlin eine weltoffene Stadt sei und keine Tendenz zu Abgeschlossenheit vertrage. Der so angesprochene Innensenator bekam jedoch auch Rückendeckung: „Die CDU fordert eine emotionsfreie, sachliche Auseinandersetzung mit Fragen und Problemen der Ausländerpolitik“, heißt es in einem Beschluß von Montag, „die gegen den Innensenator vorgetragenen Verunglimpfungen, die bewußt Aussagen ins falsche Licht rücken, überzeichnen und historische Zusammenhänge verzerren, sind hierzu nicht angetan.“ Barbara Junge

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