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■ Mann des Tages: Der Dieter Eilts für ReicheJens Jeremies (weicht niemals zurück)

Jens Jeremies kann der neue Dieter Eilts werden. Die Rolle des unbeugsamen Streiters im Mittelfeld, bei der Europameisterschaft in England vom Ostfriesen Eilts verkörpert, ist seitdem jedenfalls nie mehr so gut besetzt gewesen wie gegen die USA mit dem Sachsen Jeremies. Allerdings ist Jeremies ein Eilts für Reiche. Nicht nur, weil er über spielerische Fähigkeiten verfügt, die Eilts allein beim Gegner findet und zu bekämpfen versteht. Jeremies bringt vor allem eine andere Form der Humorlosigkeit ins Spiel. Wo Eilts anämisch und maschinenhaft die Bälle eroberte, kämpft Jeremies Fußball mit der zähen Entschlossenheit eines Straßenköters. Jeremies betreibt auf dem Platz die wütende Besitzstandssicherung eines Spielers, den es durch Fußball und Wiedervereinigung nach oben gespült hat und der dort unbedingt bleiben will.

Also weicht Jeremies nicht zurück – nie auch nur einen Millimeter. Seine Haare hängen dabei lang, schwarz, verschwitzt und bedrohlich herunter, kein Anflug eines Lächelns stellt die Willenskraft in Frage. So auch vor dem Treffer zum 2:0, als er an der Seitenauslinie seinen amerikanischen Gegner mit verbissener Kompromißlosigkeit anging und ihm den Ball abrang. Dabei blieb es jedoch nicht, denn sein Paß auf Bierhoff, der anschließend zu Klinsmann flankte, war meisterhafte Präzisionsarbeit. In der Mischung von brachialer Geradlinigkeit und großer Eleganz ein Tor, wie es in Frankreich bislang noch keine Mannschaft geschossen hat.

Doch war das wirklich schön? Und kann man sich über einen wie Jeremies freuen? Für die deutsche Nationalmannschaft stellen sich diese Fragen nicht, sie überrollt sie einfach. Christoph Biermann

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