: Volksentscheid: Demokratisch oder „des Teufels“?
■ Die GAL schimpft auf „Sechser-Bande“, der Bürgermeister auf „Mehr Demokratie“
In der rot-grünen Koalitionskrise um den Volksentscheid haben sich die Fronten weiter verhärtet. Die GAL-Fraktion bezeichnete die sechs SPD-Abgeordneten, die am Mittwoch einen eigenen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht haben, gestern als „Sechser-Bande“ und erwartet von der SPD strikte Koalitionstreue. Die SPD-Fraktion, so die grüne Fraktionschefin Antje Möller, dürfe diesem Antrag nicht zustimmen.
Bürgermeister Ortwin Runde stellte sich unterdessen auf einer SPD-Wahlkampfveranstaltung am Donnerstag abend auf die Seite der „Rebellen“. Die Hürden für die Volksgesetzgebung weiter zu senken, wie es die Initiative „Mehr Demokratie“ und die GAL verlangen, „ist des Teufels“, so Runde. Eine Volksgesetzgebung, bei der die Zustimmung einer kleinen Gruppe zum Erfolg genüge, bedeute eine „Diktatur des Einzelinteresses“. Er sehe die Gefahr, daß „die Vorurteilshaltung der Bevölkerung populistisch ausgenutzt werden kann“. Und zwar zum Schaden von Minderheiten; die Ablehnung von Flüchtlingsunterkünften in Flottbek nannte er als Beispiel.
GAL-Verfassungsexperte und Fraktionsvize Martin Schmidt hält das für Unsinn. Würde ein ganzer Bezirk volksabstimmen, käme keine Mehrheit für Ausländerfeindlichkeit zusammen, ist er überzeugt. Und auf diese Weise würde „danach klare Luft in Altona herrschen“. Den Vorschlag von „Mehr Demokratie“ als minderheitenfeindlich und Gefahr für die Regierbarkeit dieser Stadt hinzustellen, sei „böswillig“ oder „in voller Unkenntnis der Verhältnisse“. Wie die künftige Volksgesetzgebung aussieht, „ist eine politische Entscheidung, für die die Inanspruchnahme des Gewissens nicht zulässig ist“, so Schmidt.
Auch GAL-Fraktionschefin Antje Möller machte deutlich, daß sich „die SPD nicht eine Mehrheit bei der CDU holen darf“. Sie werde nicht akzeptieren, daß plötzlich 50 von 54 Abgeordnete aus „Gewissensgründen“ für den Antrag stimmten. „Aus unserer Sicht muß die SPD-Fraktion den Antrag ablehnen.“
Am Nachmittag trafen sich die Partei- und Fraktionsspitzen von SPD und GAL zu einem Krisengespräch. Dies sei „konstruktiv“ verlaufen und „ohne Ergebnis beendet“ worden, teilten anschließend beide Fraktionen in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Mitte nächster Woche wolle man erneut beraten,. Silke Mertins
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