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Rußlands Regierung zieht die Notbremse

Mit einem Notprogramm sollen die marode Wirtschaft saniert und die Einnahmen gesteigert werden. Für den Fall, daß die oppositionelle Duma nicht mitspielt, droht Präsident Jelzin mit Parlamentsauflösung  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

„Wir haben keine Zeit und keinen anderen Weg, als das von der Regierung vorbereitete Gesetzespaket anzunehmen“, warnte Präsident Boris Jelzin in einem dramatischen Appell die Abgeordneten der beiden Häuser des russischen Parlaments. Exekutive und Legislative waren gestern zu einer Krisensitzung im Weißen Haus zusammengekommen. Rußlands finanzielle Engpässe drohen, das Land in eine ernste Krise zu stürzen. „Die akuten wirtschaftlichen Probleme“, gestand Jelzin, „haben einen Grad erreicht, daß sie auf das sozialpolitische Klima drücken.“

Noch bevor der junge Premier Sergej Kirijenko das Notmaßnahmenprogramm der Regierung vorstellte, richtete Kremlchef Jelzin eine ultimative Forderung an die oppositionelle Duma: Sollte sie dem Notprogramm nicht zustimmen, „werden andere Maßnahmen ergriffen“. Dahinter verbirgt sich eine offene Drohung an die Volksvertreter, im Falle der Gehorsamsverweigerung die Duma Anfang der Sommerpause aufzulösen.

Sergej Kirijenko hat in den zurückliegenden Wochen öfter bewiesen, daß er weder die Absicht noch das Talent besitzt, die Lage der russischen Finanzmärkte und Wirtschaft zu beschönigen. Entsprechend finster fiel die Darstellung seines Krisenprogramms aus. Dessen grundlegende Botschaft lautete: Kürzung der Staatsausgaben bei gleichzeitiger Steigerung der Staatseinnahmen. „Die einzige angemessene Entscheidung in dieser Situation verlangt, das Haushaltsdefizit abzubauen.“

Nach Aussagen des Premiers hat Rußland in den letzten neun Jahren über seine Verhältnisse gelebt, wesentlich mehr ausgegeben als es auf der Habenseite verbuchen konnte. Mittlerweile betragen die Staatsschulden 44 Prozent des Brottoinlandsprodukts und 26 Prozent der im Ausland aufgenommenen Kredite. Allein die Schuldenbedienung verschlingt in diesem Jahr 34 Prozent. Monatlich zahlt der Staat 10 Milliarden Mark an Schulden zurück, fast anderthalb mal mehr, als er einnimmt.

Auch Kirijenko nannte die Finanzkrise in Asien und den gesunkenen Rohölpreis als Gründe, die die Krise in Rußland zugespitzt haben. Allein der gesunkene Ölpreis liegt fast 50 Prozent unter dem, was die Haushaltsberechnungen für das laufende Jahr angesetzt hatten. Dennoch suchte der Premier nicht die Schuldigen im Ausland. „Unser Selbstbetrug ist größer, als man sich vorstellen kann.“ Die Gründe für die derzeitige Malaise seien schon im Jahre 1995 zu suchen und hausgemacht. Nachdem die Emissionspolitik damals gestoppt wurde, habe man versäumt, einschlägige Maßnahmen zu ergreifen, die auch die Haushaltsausgaben hätten eindämmen können.

Um der Krise Herr zu werden, schlägt die Regierung umfangreiche Maßnamen vor. Zunächst will sie säumigen Steuerzahlern an den Kragen. „Das Geld da holen, wo es ist“, meinte Kirijenko. Demnach wird auch das Kleingewerbe, das sich bisher im Graubereich tummelte, stärker zur Kasse gebeten. Dadurch verspricht sich die Regierung Mehreinnahmen von 11 Milliarden Mark. Großverdiener und Unternehmen, die Einkünfte im Ausland horten, und Off-shore- Firmen, die einen Großteil des Inlandshandels abwickeln, müssen „mit harten Maßnahmen, jedoch im Rahmen der Gesetze rechnen“. Wie die Regierung das schaffen will, behielt Kirijenko für sich.

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