: Dubiose Spenden und moderne Satelliten
■ Clintons Chinareise ist schon im Vorfeld der umstrittenste Besuch des US-Präsidenten. Die Kritiker stoßen sich an illegalen Wahlkampfspenden und Technologietransfer
Während Auslandsreisen für US-Präsidenten sonst eher Erholung von innenpolitischen Auseinandersetzungen bieten, gerät Bill Clintons wichtigste Auslandsreise zum innenpolitischen Minenfeld. Die Kontroverse um Amerikas Chinapolitik läßt sich mit der um Willy Brandts neue Ostpolitik vergleichen. Sie kreist um die Fragen: Soll China international eingebunden oder isoliert und eingedämmt werden, oder soll die US-Politik gar auf Systemveränderung und -umsturz von innen heraus setzen?
Clinton verfolgt im Prinzip alle drei Optionen, betont aber besonders die Einbindung Chinas in internationale Organisationen, Verträge und den Welthandel. Clinton hatte seinem Vorgänger Bush ursprünglich einen Schmusekurs gegenüber Peking vorgeworfen, war aber später auf dessen realpolitische Linie eingeschwenkt. Heute wird Clinton von den Puristen aller Seiten attackiert. Gegen das, was seine Regierung „Engagement“ nennt, hat sich eine widersprüchliche Koalition aus christlichen Rechten, Menschenrechtlern, chinesischen Dissidenten, Antikommunisten und Freunden Tibets gebildet. Seit vergangenem Jahr hat Clintons Chinapolitik noch einen besonderen Aspekt. Zwei Untersuchungsausschüsse prüfen, ob Clintons demokratische Partei illegale chinesische Wahlkampfspenden angenommen und die Regierung dafür chinesische Interessen berücksichtigt hat.
Während ein Ausschuß Anfang dieses Jahres einen unschlüssigen Bericht vorlegte und der zweite noch tagt, erhielt der Verdacht neue Nahrung, als die New York Times berichtete, daß zwei US-Firmen Sondergenehmigungen zum Export von Raketen- und Satellitentechnologie erhalten und dabei militärisch nutzbares Know-how an China weitergegeben hatten. Hughes Electronics und Loral Space & Communication sollen bei der Untersuchung eines chinesischen Fehlstarts den Chinesen Tips gegeben und dadurch das Exportkontrollgesetz verletzt, gleichwohl aber von der Clinton Regierung Sondergenehmigungen zum weiteren Export von Satelliten erhalten haben. Lorals Direktor Bernard Schwartz ist einer der größten Spender für die Demokratischen Partei.
Es stellte sich auch heraus, daß der wegen seiner großzügigen Parteispenden schon vergangenes Jahr in Verdacht geratene Johnny Chung Verbindungen zur chinesischen Luft- und Raumfahrtindustrie hatte und daß Loral den kanadischen Staatsangehörigen Shen Jun zu seinen Angestellten zählte. Dieser ist der Sohn des chinesischen Generals Shen Rongjun, der Pekings militärisches Satellitenprogramm unter sich hatte. John Pike, Experte für die Nichtweitergabe von militärisch relevanter Technologie, bezeichnete die Aufregung um den Technologietransfer als den größten Quatsch, den er je in Washington erlebt habe. Die Nutzung chinesischer Raketen zur Beförderung von US-Satelliten geht auf die Challenger Katastrophe 1986 zurück. Präsident Reagan fürchtete damals, daß eine Raketenknappheit den US-Vorsprung auf dem Gebiet der Satellitentechnologie gefährde. Seitdem dürfen US-Firmen unter strengen Auflagen kommerzielle Satelliten mit chinesischen Raketen ins All befördern und den Chinesen auch Satelliten verkaufen.
„Die Chinesen bekommen von unserer Satellitentechnik soviel mit, wie Federal Express vom Inhalt eines Pakets, das sie befördern“, erklärte der ehemalige US- Sicherheitsberater Brent Scowcroft in der Washington Times. Zur Zeit untersuchen vier Kongreßausschüsse den Fall. Für John Pike sind diese Untersuchungen weiter nichts als die Nutzung der schon eingefahrenen Lewinsky-Angriffs- und Skandalmaschine. Peter Tautfest, Washington
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen