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Die Musik des Zufalls

■ „Moments Of Movement“: die bewegende Kunst des Christian Liebisch

Manche Leute wollen alles, und zwar alles auf einmal. So entstehen Gesamtkunstwerke, bei denen sämtliche Sinne angesprochen und sämtliche Ausdrucksregister gezogen werden: Musik, Tanz, Malerei, Video. Der Künstler ist eine Art spiritus rector. Er deligiert und dirigiert, was andere ausführen.

Und weil es so komplex ist, was der Performer Christian Liebisch morgen im neu eingerichteten Fundbureau vorhat, erzählen wir hier mal ganz langsam und in aller Ausführlichkeit, um was es geht. Im Zentrum steht ein großes Theremin. Im Jahr 1919 vom Russen Leon Theremin erfunden, gilt es als das erste elektronische Musikinstrument. Es besteht aus einem hölzernen Kasten, aus dem zwei Antennen ragen. Gespielt wird es durch Bewegungen innerhalb des Antennenfeldes. Den Rhythmus gibt ein eigens für diese Performance geschriebenes Drum'n'Bass-Stück an. Dazu bewegt sich die Tänzerin Libelle, mit bürgerlichem Namen Sibylle Uttikal, um das Theremin und erzeugt dadurch die eigentümlich schwingenden Töne. Die wiederum steuern eine Kugelbildmaschine, ein durch Elektromotoren längs und quer beweglicher Malgrund, auf den eine Leinwand gespannt wird. Darauf wiederum bewegt sich ein mit Farbe gefüllter Ball und erzeugt so ein Bild. Dieser ganze Malvorgang schließlich wird durch eine Video-Kamera aufgefangen und an die Decke projiziert. „Ich hoffe auf einen psychedelischen Effekt“, beschreibt Christian Liebisch die gewünschte Wirkung. Für ihn ist die Bewegung ganz wesentlicher Moment seines Lebens. „Die Bewegung der Realität sprengt immer wieder den Rahmen meiner Vorstellungen, eigenartigerweise immer an der Ecke, an der ich sitze“, sagt er. „Im Moment fügt sich alles zusammen, wie ich es eigentlich nicht hätte planen können. Darum heißt das Programm auch Moments Of Movement.“

Und darum ist die Kugelbildmaschine auch ein Sinnbild für das eigene, wenig gradlinige Leben des ehemaligen Theologie-, später Musikstudenten, Bandmitglieds, Tonstudiobesitzers, Kloputzers und Tischlers Liebisch: „Nichts ist planbar. Aber so wie die Kugel rollt, mal hierhin, mal dorthin, so gibt sie dem Ganzen langsam Farbe.“ Ergänzt wird das Programm durch die berühmteste Theremin-Spielerin schlechthin – sofern man bei diesem Instrument überhaupt von berühmt sprechen kann. Lydia Kavina ist die Nichte des Erfinders und lernte das Spiel auf dem Elektro-Smog-Gerät vom Meister Theremin höchstselbst. Auch bei ihrem Solo-Stück kommt die Kugelbildmaschine zum Einsatz und wird bestimmt knubbelige Bilder erzeugen. Bilder, wie sie eben nur das Leben schreibt.

Eberhard Spohd

morgen, 21 Uhr, Fundbureau, Stresemannstraße 114

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