■ Muß das sein? Falsche Lehrsätze für Kölner Sparkassenbesucher: Hauptsache Alliteration
Konto kommt von können – unter anderen ziert dieser Spruch eine Broschüre, die derzeit die Kölner Stadtsparkasse verschickt. Doch Konto kommt sowenig von können, wie findige Werbefachleute Whiskey von wissen ableiten sollten oder Shoko Azahara ein neuer lila Lutschriegel ist, sondern ein japanischer Sektenguru, der mit Sarin schon mal gerne und aus gutem Grund seinen Landsleuten im Schnellverfahren zu einer Seelenwanderung verhilft.
Warum kann eine Sparkasse zur weiteren Versteppung des intellektuellen Lebens in diesem Lande beitragen, eine ganze Generation von jungen Menschen mißbilden, zu intellektuellen Krüppeln machen; kurz: mit falschen Lehrsätzen werben? Von den Krampfadergeschwadern abgesehen – dem Obstkorbhut tragenden, sanften Großmütterchen ebenso wie von dem kleinen Opi, der gerade vom Mumien-Schwof am Nachmittag zurückkehrt –, von diesen Menschen also abgesehen, steht den meisten Sparkassenkunden die Antwort ins Antlitz geschrieben; man muß die Zeichen, in denen sie verfaßt wurde, nur lesen können: Zumeist warten in den Schlangen vor den Schaltern frittenfettleibige Familienmenschen, mit aufgedunsenen Mortadellagesichtern – Vaterwurst, Mutterwurst oder Kinderwurst. Manche Sparkassenkunden, zumeist sind es junge Männer, achten stärker auf ihre Figur: Sie tragen Lederjacken über weißen T-Shirts und im Gesicht einen amerikanisierten Unterkiefer – klassisch-sportlich erarbeitet durch heftiges Kaugummikauen oder modern, aber künstlich geschaffen, mit einem Airbag-Implantat der Marke „Schumi“ Schumacher. Andere Sparkassenbesucher lassen sich, wohl um ihre Streuselkuchen-Haut zu verstecken, Haare im Gesicht stehen; Haare, die von einem Kollegen auch schon einmal böswillig „Fotzenbart“ genannt wurden. Jetzt verbietet es sich selbstverständlich, auch noch die „Pille danach“-Gesichter der jungen Frauen zu beschreiben, die Sparkassen aufsuchen. Lediglich eines sei über sie gesagt, und das auch nur, weil dies ebenfalls auf die männlichen Sparkassenbesucher zutrifft: Sie alle haben ihre Grübchen, jene kleinen, gekräuselten Lachfältchen in den Mundwinkeln, eingetauscht – gegen zwei senkrechte Furchen, auch Schröder-Falten genannt.
Sanft möchte man den Menschen, die Sparkassen aufsuchen, viermal gegen die Stirn klopfen, sich einmal um die eigene Achse drehen und fragen „Hallo, jemand zu Haus?“ Doch das, was aus ihren stieren Blicken spricht, läßt einen rechtzeitig innehalten und flehen: „Lieber Gott, wenn es dich gibt, mach das weg!“ Und weil es so ist, wie es ist, kann die Kölner Sparkasse mit falschen Lehrsätzen werben, ohne daß ihr Chef zur Strafe mit Jürgen Rüttgers drei Runden Plumpsack spielen muß – es merkt nämlich niemand!
Oder ist in Wirklichkeit alles doch ganz anders? Ist die ad absurdum geführte Etymologie gar Programm? Ein neuer Werbegag, der bald schon zum Trend wird? Eine Tierfutterfirma machte vor Jahren den Anfang, als sie ein kleines Kind fragen ließ: „Du, Mutti, kommt Whiskas eigentlich von wissen?“ Die Kölner Stadtsparkasse machte jetzt einen zweiten Vorstoß in diese Richtung. Doch werden künftig alle Reklametexter branchentypische Ausdrücke mit Verben verbinden nach dem Motto: Hauptsache Alliteration? Zum Beispiel: Lebensversicherung – leicht(e) laichen. Oder: Beichte bedeutet bumsen. Wir werden die Entwicklung weiter verfolgen!
Ach ja, Konto kommt ursprünglich aus dem Lateinischen: computare = zusammenrechnen. taz kommt nicht von Tatzelwurm – und das ist die Wahrheit, die übrigens durch das Verb „wahren“ verwandt ist mit warten und warnen! Björn Blaschke
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