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■ VorschlagFreundinnenband on Speed: Die Pop Tarts in der Akademie der Künste

Olga, Franzi und Julia gehören zu der Sorte Mädchen, die in der Schule ganz hinten saßen, immer zu spät kamen und sich nur mit den bürgerlichen Ziegen aus der ersten Reihe abgaben, wenn sie bei ihnen abschreiben durften. Beim Sport machten sie die Jungs platt, und rauchen konnten sie schon, als sie noch in die Windeln kackten. Sie sind so schön, daß nur das geübte Auge das erkennt, und deshalb sind sie hochgradig hip. Weil sich die Pop Tarts dieser ihrer Stärken sehr bewußt sind, umschiffen sie geschickt jedes Klischee rings um den ollen Aufkleber „Girlpower“. Man könnte ihnen sogar unterstellen, daß sie sich ihren Hahn im Korb, den Schlagzeuger Hennie, nur in die Band holten, um nicht als Mädchenband vermarktet zu werden. Eine Freundinnenband sind sie trotzdem, eine Art „Schülerband on Speed“, oder, wie sie sich selbst am liebsten bezeichnen, Jugendgruppe. Sie singen fröhliche Songs über Liebesfilme und Kindheit, Jugend, Sex, mit Texten aus Bravo-Horoskopen und Dr.- Sommer-Kummerbriefen: „Mit meinen roten Schmollippen küsse ich meinen scharfen Lover an seinem ganzen Körper“ und „Am Wochenende kommst du einem wichtigen Ziel ein ganzes Stück näher“. Ihr gerade erschienenes Debütalbum heißt „Woman is the Fuehrer of the world“. Auf seinem Cover ist eine schicke Motorradmieze in knappem Bikini abgebildet. Hinten drauf posieren die Bandmitglieder im Stil „gerade pickelfrei dank Clearasil“. Schon komisch, daß in dieser Welt der Teddies, Poster und Batida-Kirsch-Getränke solche einfachen, kurzen, aufs Wesentliche eingedampften Songs gedeihen können, die, pathetisch gesagt, zum Sterben schön sind. Manchmal dreht sich ein ganzes Lied um eine einzige winzige, unbekümmert unbeholfen gespielte Tonfolge.

Den Pop Tarts Professionalität vorzuwerfen, wäre gemein. Es kann sich nicht um Routine handeln, wenn ihnen jetzt pro Konzert eine Saite weniger reißt und ab und zu eine Melodie rauszuhören ist. Ein Passierschein in den Olymp der genialen Dilettanten ist ihnen sicher. Sie hecheln durch die Songs, Tempo, Tempo, Ohren zu und durch, und sie haben ihren Spaß dabei. Es kann davon ausgegangen werden, daß Olga sich auch heute abend wieder gern und oft verspielen und dabei schief lachen wird. Hennie wird seine Muskeln spielen lassen und seinen „Mädels“ auf und davon trommeln. Sofort wird eine „Ey!“ schreien. Er wird sich beruhigen und wieder auf die anderen hören. Susanne Messmer

Pop Tarts, Die-Platte-ist-da-Party, 23 Uhr, Atelier 4.R, Akademie der Künste, Pariser Platz 4, Mitte

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