piwik no script img

Wandern von Amt zu Amt

■ Weniger Arbeitslose in Hamburg, aber noch lange keine Trendwende

Für Georg Fiedler ist der Durchbruch geschafft. „Dank der ausgesprochen guten Entwicklung wurde jetzt die Wende auf dem Hamburger Arbeitsmarkt erreicht“, erklärte gestern der Präsident des Landesarbeitsamts Nord in Kiel. Denn immerhin waren im Juni nur noch 88.539 Menschen in Hamburg arbeitslos gemeldet. Das sind rund 2700 weniger als im Juni vergangenen Jahres. Fiedlers Kollege Olaf Koglin mag daran nicht so recht glauben. Schon im nächsten Monat, so prognostiziert der Chef des Hamburger Arbeitsamtes, würden die Erwerbslosenzahlen wieder steigen. Denn das tun sie zum Ende dieses Quartals immer. Aus Erfahrung wird man pessimistisch.

Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben vor allem diejenigen, die noch nicht allzu lange erwerbslos sind. Von den 11.594 Menschen, die sich im Juni arbeitslos meldeten, „kamen nur noch 4071 aus Arbeit“, betont Koglin. Mehr als zwei Drittel aller neuen Erwerbslosen finanzierten sich zuvor über andere Sozialversicherungsleistungen: „Das sind die Wanderer zwischen den Krankenkassen oder Sozialämtern und dem Arbeitsamt“. Die Zahlen machten deutlich, „wie schwer es Langzeitarbeitslose haben, in Arbeit zu kommen“.

Mit Hilfe von privaten Vermittlungsagenturen versucht das Arbeitsamt daher seit Mai, diesen Menschen wieder zu einem Job zu verhelfen. Bisher, so Koglin, wären dadurch erst weniger als einhundert Langzeitarbeitslose zu einer neuen Arbeitsstelle gekommen. Dennoch ist Koglin überzeugt: „Die Chancen für diese Menschen haben sich verbessert.“

Hamburgs Arbeitsloseninitiativen sehen das anders. Rund 200 Erwerbslose demonstrierten gestern vor den Landungsbrücken erneut gegen die „hohle politische Propaganda“ vom positiven Arbeitsmarkttrend. Ihr Vorwurf: Das Arbeitsamt fördere derzeit zusätzliche ABM-Programme, „um für die Wiederwahl der Kohl-Regierung positive Bilanzen zu schaffen“.

Tatsächlich wurden im Juni 420 Erwerbslose in Hamburg in ABM-Stellen vermittelt, im Juni 1997 waren es nur 260. Insgesamt jedoch gibt es zur Zeit 200 ABM-Stellen weniger als noch vor einem Jahr. Außerdem nahmen damals noch 8940 Menschen an einer beruflichen Weiterbildung teil. Heute sind es nur noch 6750. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, so Koglins Fazit, „spielten für den jüngsten Positivtrend in Hamburg überhaupt keine Rolle“. Karin Flothmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen