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Hauptbremser sind die USA

Die Chancen für unabhängigen und effektiven internationalen Strafgerichtshof sinken. Washington befürwortet ein Gremium mit wenig Kompetenzen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die Chance zur Schaffung eines effektiven, funktionsfähigen und unabhängigen Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) noch in diesem Jahr sind auf Null gesunken. Bei der noch bis Freitag nächster Woche in Rom laufenden Konferenz von inzwischen 159 UNO-Staaten zur Vereinbarung eines ICC-Statuts ist auch nach dreieinhalbwöchigen intensiven Verhandlungen in keinem der zentralen Streitpunkte eine Einigung absehbar.

Nach Einschätzung von Vertretern zahlreicher Teilnehmerstaaten sowie der Koalition der regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) sind das Hauptproblem die USA, die ihre restriktive Haltung in keinem dieser zentralen Punkte bislang revidiert haben. Ähnliches gilt für Frankreich. Im Windschatten dieser beiden ständigen Mitgliedsstaaten des UNO- Sicherheitsrates bewegen sich zahlreiche Länder Asiens und der arabischen Welt, die noch weiter gehende Restriktionen verlangen als Washington und Paris oder einen ICC gar völlig ablehnen.

Die Gruppe 48 gleichgesinnter Staaten, die sich nach eigenen Darstellungen für einen effektiven, funktionsfähigen, unabhängigen und damit glaubwürdigen ICC einsetzen, ist seit Konferenzbeginn zwar auf 60 angewachsen. Nachdem Jordanien als bislang einziges arabisches Land dazugestoßen ist, gehören der „G-60“ neben allen EU-Staaten (außer Frankreich) inzwischen Länder aus allen Weltregionen an. Doch außer zahlreichen Einigungen über technische Fragen sehen die „G60“-Staaten keine Fortschritte. Die USA beharren weiterhin auf zahlreichen Restriktionen, deren Aufnahme in das Statut Handlungsspielraum, Kompetenz und Unabhängigkeit eines künftigen ICC erheblich einschränken würde.

Laut Washington sollen Verfahren vor dem ICC ausschließlich durch Beschwerden des Sicherheitsrats oder eines Landes bzw. einer Ländergruppe ausgelöst werden können. Ex-officio-Befugnisse des ICC-Anklägers zur eigenständigen Einleitung von Verfahren lehnt Washington ab; selbst in der deutsch-argentinischen Kompromißversion, wonach eine Ermittlungskammer des ICC eventuellen Mißbrauch dieser Befugnis durch eine Überprüfung des Verfahrens verhindern soll. Gemeinsam mit Frankreich wollen die USA im Statut eine breite Palette von Zustimmungsrechten und Vorbehaltsmöglichkeiten verankern, damit einzelne Staaten ein Verfahren vor dem ICC ganz verhindern oder zumindest ihre Zusammenarbeit mit dem ICC verweigern könnten.

Frankreich macht für die Verfahren über Kriegsverbrechen, Völkermord sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem ICC zur Bedingung, daß in jedem einzelnen Fall sowohl der Staat, auf dessen Territorum die Delikte verübt wurden, als auch das Herkunftsland des Täters vorab zustimmen müssen. Auch soll nach Washingtons Vorstellung bereits der Widerspruch nur eines ständigen Mitgliedes des Sicherheitsrates zur Blockade eines Verfahrens ausreichen. Die Clinton-Administration will außerdem die Fälle, in denen das ICC aktiv werden kann, weil nationale Gerichtsbarkeiten gar nicht existieren oder aber unfähig beziehungsweise unwillig zur Strafverfolgung sind, ganz eng begrenzen.

Washingtons Delegation in Rom hat sich bislang in keiner dieser Fragen auf Kompromisse eingelassen und sich zugleich die „Option reserviert“, selbst nach einer etwaigen Verständigung auf eine Kompromißformulierung jederzeit wieder zu der ursprünglichen Position zurückzukehren. Die Haltung der USA wirkt sich nach Einschätzung der „G-60“ als „Ermutigung“ für rund 30 weitere Staaten aus, deren Bedenken gegen einen unabhängigen, funktionsfähigen und effektiven ICC zum Teil noch viel weiter gehen.

Die Zeit für Kompromisse in den zentralen Fragen wird immer knapper. In Rom greift die Befürchtung um sich, daß unter dem Erfolgsdruck und in heilloser Hektik ein völlig unzureichendes Statut für ein weitgehend vom Sicherheitsrat abhängiges ICC ohne wesentliche Kompetenzen vereinbart wird.

Das gilt vielen in der „G-60“ sowie unter den NGOs als das denkbar schlechteste Ergebnis. Doch die von zahlreichen NGOs propagierte Option – ähnlich wie beim Ottawa-Prozeß über ein Landminenverbot, ohne Berücksichtigung der USA und anderer Bremser in der Gruppe aller hierzu willigen Staaten ein Statut für einen effektiven und unabhängigen ICC zu beschließen – stellt sich nach Meinung vieler Länder der „G-60“ diesmal nicht. „Dafür bräuchten wir noch eine ganze Reihe von Ländern wie China, Rußland und wichtige Regionalmächte wie zum Beispiel Ägypten“, begründet ein EU-Diplomat seine Skepsis gegen ein Vorgehen à la Ottawa. So wird in Rom die Einberufung einer zweiten Verhandlungskonferenz als zunehmend wahrscheinliche Variante gehandelt.

Andreas Zumach und Howard Steers, Leiter der politischen Abteilung der US-Botschaft, diskutieren am 9. Juli in Berlin über den Konflikt um die Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes. Ort: Hackesche Höfe, Heinrich Böll Stiftung, Galerie; Zeit: 19.30 Uhr

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