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Sechs Filme und 2000 Liter Bier

■ Der Austausch zwischen den Filmfestivals St. Petersburg und Hamburg kommt ins Rollen

Gerade mal 30 Zuschauer verirrten sich in das 400 Sitzplätze fassende Kolisei-Filmtheater am Nevskij Propekt, unmittelbar im Stadtzentrum von St. Petersburg, um den Film Die Mediocren zu sehen. Eine gespenstische Atmosphäre, 370 freie Plätze in einem altehrwürdigen, russischen Lichtspielpalast. Der junge Hamburger Regisseur des Films, Matthias Glasner, trug die Enttäuschung mit Fassung. Schließlich konnte man es niemanden verübeln, bei der brütenden Hitze zu Hause geblieben zu sein. Glasner genehmigte sich kurzerhand einen Wodka.

Die Mediocren war einer von sechs Hamburger Filmen, die auf dem dritten Internationalen Film-Festival in St. Petersburg vom 23. bis zum 29. Juni präsentiert wurden. Seit 1993 versucht St. Petersburg, die Partnerstadt Hamburgs, künstlerisch herausragende und andernorts prämierte Filme des jeweils vergangenen Kinojahres dem russischen Publikum zugänglich zu machen. Einem Publikum, das ansonsten nur Mainstream zu sehen bekommt. Dieses Jahr gehörten über 100 Filme aus nahezu allen Ländern der Welt zum Programm.

Die Reihe „Filme aus Hamburg“ fand dieses Jahr bereits zum zweiten Mal statt. Im Gegenzug laufen auf dem Hamburger Filmfestival im September sechs Produktionen aus St. Petersburg, ein Bestandteil des kulturellen Austausches zwischen den Partnerstädten.

Der Filmdeal basiert auf einer Initiative von East-West-Vision, einem in der Hansestadt ansässigen Verleih. Nicht alle Hamburger Filme liefen so schlecht wie die Generation-X-Slacker-Yuppie-Loser-Beziehungskomödie von Matthias Glasner. Lets Talk About Sex, der Episodenfilm der drei Regisseurinnen Lizzie Borden aus den USA, Clara Law aus Hongkong und Monika Treut aus Deutschland, war der absolute Publikumsrenner. Und Maries Lied, der anspruchvollste und nicht ganz leicht konsumierbare Film von Niko Brücher, erhielt einen Spezialpreis. Die restlichen drei Produktionen aus der Reihe „Filme aus Hamburg“, nämlich Movie Days von F.T. Fridriksson, Frauen sind was Wunderbares von Sherry Hormann, sowie Hey Stranger von Peter Woditsch, liefen vor halb gefüllten Sälen. Allerdings blieb doch das Gefühl, die Filmauswahl sei relativ willkürlich.

Als Ergänzungsprogramm hatte East-West-Vision ein Seminar über „Filmpromotion und Marketing-Strategien“ organisiert. Teilnehmer waren russische Regisseure, Vertreter der ortsansässigen Lenfilmstudios sowie Reinhard Hinrichs von der neuen Hamburger Filmförderungs-GmbH. Lenfilm, neben Mosfilm in Moskau das größte russische Studio, leidet unter notorischem Geldmangel. Reinhard Hinrichs bot Unterstützung durch die Hamburger Filmförderung an, um geeignete westliche Koproduzenten und Geldgeber zu finden.

Aus Hamburg kam übrigens auch das mittlerweile aus der Kultur nicht mehr wegzudenkende Sponsoring. Die Holsten-Brauerei versorgte das Festival mit 2000 Liter Bier und übernahm Sachleistungen wie Werbung, Druck von Plakaten und den Transport von Filmkopien. Dabei verhielt sich die Brauerei angenehm zurückhaltend. Außer in Flaschen- und Dosenform waren Holsten und ihr simpler Kosmopolitismus – One World, One Beer – kaum zu sehen. Hoffentlich bleibt das so, denn Holsten hat einen unbefristeten Vertrag unterschrieben, offensichtlich davon überzeugt, daß das St. Petersburger Film-Festival trotz der finanziellen Misere des russischen Films weiterlaufen wird.

Alfred Hackensberger

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