Wand und Boden: In der Plastikblase
■ Kunst in Berlin jetzt: Dorothee Golz, Britta Jaschinski, Sarah Moon, Reno Patarica
Sieht hübsch aus, die Blase aus durchsichtigem Kunststoff, die eine Sitzgruppe beherbergt. Wie weiße Schwammerln wachsen ein Stuhl, ein Tisch und eine amorphe Form aus dem Metallfuß. Vielleicht ist die amorphe Form ein Besucher, ein Geist in der Blase, der sich auf dem Stühlchen niederlassen wird? „Hohlwelt“ heißt die transparente Sphäre, die Dorothee Golz jetzt in der Galerie Arndt & Partner zeigt. Eine frühere Version war letztes Jahr auf der documenta X zu sehen. Trotz aller Transparenz haftet ihr etwas Undurchschaubares an.
Ähnlich ist es mit den Zeichnungen, auch wenn sie kleine Geschichten erzählen. „Wozu noch fegen?“ fragen sich zwei Figuren mit Besen, die in sparsamen Umrißlinien aufs Blatt skizziert sind, auf dem eine rot, blau und weiß zusammengequirlte Staubwolke wie ein Atompilz in die Höhe schießt. Stärker als die narrative Komponente wirkt die formale: die viele freie Fläche, die wenigen Umrißlinien und die grellen Farben, oft Gelb und Rot, die für die malerische Verdichtung auf den Blättern sorgen.
Auch in der Plastikblase ist dieses Aufeinandertreffen von scheinbar alltäglichen Situationen und Gegenständen mit abstrakten Kunstformen offenkundig. Freilich sind die alltäglichen Dinge dann doch nicht so alltäglich, wie sie scheinen. Eine andere Sitzgruppe besteht aus weißen, blauen und grünen Schalensesseln. Die 1960 geborene Künstlerin schnitt jeweils ihren rechten oder linken Lehnenteil ab und montierte ihn, Außenkante an Außenkante, an den anderen Lehnenteil an, was am Ende ein geflügeltes Objekt ergibt, das zum Sitzen kaum mehr, zum Betrachten um so mehr taugt.
Bis 29.8., Di–Sa 12–18 Uhr, Auguststraße 35
Was ist ein Hylobates Lar? Und wie sieht ein Hylobates Lar aus? Auf der Fotografie von Britta Jaschinski, die diesen Titel trägt, ist das nur zu ahnen. Hylobates Lar könnte ein Lemur sein, aussehen tut er aber wie ein Aststück. Auch der Pongo Pygmaeus ist nur eine dunkle Masse, die vom linken Rand ins Bild ragt. Man könnte Britta Jaschinski eine Tierfotografin nennen. Bekannt wurde die Londonerin aus Bremen jedenfalls mit ihrem Bildband „Zoo“, aus dem Lettre International 1997 zahlreiche Motive übernahm.
Tierfotografie ist ein heikles fotografisches Gebiet. Zu Zeiten der Neuen Sachlichkeit konnte Hedda Walther überzeugen. Ansonsten erinnert man sich eigentlich nur an die übliche grellbunte Posterfotografie von ansehnlichen Raubkatzen. Insofern ist der Tierpark fotografische Terra vasta, was Britta Jaschinski – wie bei Hohenthal und Bergen zu sehen – für sich nutzt. Ihre sechs großformatigen Schwarzweißabzüge von Polaroids sind abstrakte Ahnungen von einem Panther, einem Bären oder einem Lama. Der Panther zeigt sich als schwarzer Schattenriß, das Lama ist eine weißgeschminkte Modelschönheit und der Löwe eine undefinierbare Bewegung. Fotografie ist bei Jaschinski nicht mimetische Abbildung, sondern indexikalische Spur. Sie nimmt die Witterung der Tiere auf, und damit gewinnt sie Spielraum: für die Tiere, die auf ihren Bildern überzeugend fremdartig bleiben, und für die Ausdrucksmöglichkeiten der Fotografie.
Bis 5.9., Di–Fr 14–19, Sa 11–14 Uhr, Fasanenstraße 29
Auch Sarah Moon, 1940 in Frankreich geboren, aber in England aufgewachsen, arbeitet mit Polaroidnegativfilm. Bei der Vergrößerung druckt sie das Negativ bis zum äußersten Rand ab, was ihren Fotografien eine sofort erkennbare Charakteristik verleiht, ebenso wie die Schlieren und Flecken der Entwicklerflüssigkeit der zu früh oder zu spät geöffneten Polaroids. Diese Nachlässigkeit läßt ihre meistenteils schwarzweißen, hin und wieder aber auch leuchtend grün oder rot kolorierten Fotografien aussehen, als ob sie aus längst vergangenen Zeiten stammten. Die altertümelnde Aura ihrer Abzüge ist gewöhnungsbedürftig.
Doch der malerische Manierismus ist nur vordergründig. Beim Verfolgen der Bilderreihen, Modeaufnahmen vor allem für japanische Designer, Landschaftsaufnahmen, Porträts oder Stadtansichten fällt vor allem ihr filmischer Blick auf. Ihre Bilder scheinen, bei aller Inszenierung, am Ende doch im entscheidenden Moment festgefroren zu sein wie klassische Schnappschüsse. Man stellt sie sich aus einem bewegten Davor und Danach herauspräpariert, als Filmstills vor. Der Beginn ihrer Fotografinnenkarriere scheint immer sichtbar zu bleiben: Sarah Moon mußte ihr Kunststudium aufgeben und als Fotomodel ihr Geld verdienen. Dabei begann sie ihre Kolleginnen zu fotografieren, Bilder zu machen, die zu ersten Aufträgen, etwa der Vogue, führten. Daß sie schließlich auch eine bekannte Kurz- und Werbefilmerin wurde, erstaunt angesichts ihrer Fotografien nicht.
Bis 29.8., Di–Fr 10–19, Sa 10–15 Uhr, Kantstraße 149
Mode und Malerei, sei sie in Lack ausgeführt oder nur der Effekt einer computergraphisch bearbeiteten Fotografie, ist auch Thema von Reno Patarica: Replay oder Adidas-Pop, das wortwörtlich glänzende Ergebnis, das bei Kienzle & Gmeiner zu sehen ist. Den angeschnittenen kopflosen Körpern, die mal in einem Kleid von PLEIN Sud stecken oder eben einem Trainingsanzug von adidas, gibt die Künstlerin gerne einen seitlichen Halt, breite vertikale Farbbänder am linken und rechten Bildrand. Das sieht bei einem großformatigen C-Print „o.T.“, der eine Reihe Frauenbeine zeigt, stark nach Zeitschriftendesign aus. Auch das Wandgemälde „Hasty“ („Und wieder hoffst du ein Gesicht, eine Art, sich zu halten, sich zu bewegen...“) hat einen ähnlichen Wallpaper*-Look. Vielleicht ist es tatsächlich ein Weg, Malerei modern und trendig zu präsentieren. Brigitte Werneburg
Bis 19.9., Di–Fr 11–18, Sa 10–15 Uhr, Bleibtreustraße 54
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