: Freiwillige Ausreise verboten
Kenneth A. und Anja K. wollen in Nigeria heiraten. Ausländerbehörde: die Ausreise muß als eine Abschiebung betrachtet werden ■ Von Silke Mertins
Kenneth A. und Anja K. haben sich entschieden: Sie wollen heiraten. Weil die deutschen Behörden unzählige Hürden für binationale Paare aufbauen, soll die Eheschließung in Nigeria, Kenneths Herkunftsland, stattfinden. Mit den Tickets von Air France in der Tasche ging das Paar (beide 30) zur Ausländerbehörde. Dort erlebten sie eine Überraschung. Kenneth ist es nicht gestattet, auf eigenen Wunsch auszureisen. Er darf nur unfreiwillig, also per Abschiebung außer Landes gehen. Und wenn ein Abzuschiebender mitfliegt, muß der Fluggesellschaft das „Sicherheitsrisiko“ mitgeteilt werden. Nicht jede Airline ist dazu bereit.
Kenneth, so der Sachbearbeiter, brauche deshalb ein Ticket der Linie KLM für 2700 Mark. Auf Anfrage erklärte selbige Fluggesellschaft, ein Flug nach Nigeria koste 1.600 Mark. „Ich will nicht verschweigen, daß zumindest bei meiner Mandatschaft der Verdacht entsteht, daß die Behörde hier durch überteuerte Tickets versucht, auf Kosten meines Mandanten Geld zu verdienen“, erbost sich der Rechtsanwalt des Paares, Ernst Medecke, jetzt in seiner Dienstaufsichtsbeschwerde. Denn zu allem Überfluß müßten die beiden zukünftigen Eheleute auch die sonstigen Kosten der Abschiebung tragen. „Dadurch dauert es länger, bis sie die Kohle zusammen haben und wieder einreisen können“, fürchtet Medecke.
„Es muß eine Abschiebung sein“, beharrt hingegen Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde. „Wir waren ja auch bestrebt zu helfen, aber der Bundesgrenzschutz und die Fluggesellschaften haben Auflagen.“ Das Ausländergesetz lasse keine andere Möglichkeit; die Ausreise müsse als Abschiebung betrachtet werden. Kenneth A. sei nämlich ausreisepflichtig und habe zuvor eine falsche Identität angegeben.
Tatsächlich hatte der Nigerianer zu Anfang seines Asylverfahrens behauptet, er sei aus dem Sudan, wo er aber nur geboren ist. „Man hatte mir gesagt, daß ich innerhalb einer Woche wieder in Nigeria bin, weil man meine wirklichen Asylgründe hier nicht anerkennen werde“, sagt er. Folglich ist er nun in den Augen der Ausländerbehörde „ein klassischer Fall von Abschiebung – da kommt man nicht drumrum“, betont Smekal. „Das halte ich für absoluten Unsinn“, urteilt Medecke. Eine Abschiebung müsse nach dem Ausländergesetz nur dann angeordnet werden, wenn der Betreffende sich weigere oder er kein Geld für den Flug habe.
Heute morgen um 6.45 Uhr soll Kenneth am Flughafen sein und die „überwachte Ausreise“ antreten. Seine Freundin Anja flog, um nicht noch mehr Geld zu verlieren, mit dem ursprünglich gekauften Flug schon gestern nach Lagos – ganz allein in eine der berüchtigsten und gefährlichsten Großstädte Afrikas.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen