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Abrißbirnen gegen polnische Gläubige

■ Katholische Kirche will St. Laurentius Gotteshaus in der Vahr abreißen / An der Stelle soll ein gewinnträchtigeres Altenheim entstehen / Die Leidtragenden sind polnischsprachige Katholiken

„Gott wird uns beistehen“, hofft die 63jährige Janina. „Wir lieben die Kirche doch alle.“ Und die soll jetzt abgerissen werden? Nein, „das ist alles nur Propaganda.“

Doch es war wohl das letztes Fest für den heiligen St. Laurentius, das die fröhliche polnischdeutsche Aussiedlerin am vergangenen Wochenende gemeinsam mit 500 Gläubigen unter köstlichkohligen Bigos-Düften und Marina-Marina-Gedudel im lieblichen Garten der St. Laurentius Kirche feierten. „Wahrscheinlich wird die Kirche Anfang kommenden Jahres abgerissen, um einem Caritas-Altersheim Platz zu machen“, so der Sprecher der Bremer Katholischen Kirche, Wilhelm Tacke. Die Steuern gingen zurück und für das Altersheim gäbe es sogar Geld „von der Politik“.

Kein Problem, heißt es aus der 5.000köpfigen deutschen Gemeinde in der Vahr, der Abriß der heiligen Stätte sei zwar ein absoluter Präzedenzfall für die katholische Kirche in Bremen, aber für die höchstens 120 Gottesdienstgänger werde im Altersheim eine Kapelle eingerichtet. An Janina und ihren polnischsprachigen Gottesdienst, den sie hier jeden Samstag gemeinsam mit über 300 Mitgläubigen abhält, scheint dabei keiner zu denken. Oder doch? Manch einer in der deutschen Gemeinde wird wohl froh sein, wenn „die Polenmesse“ (Wilhelm Tacke) aus der Vahr verschwindet. Seit drei Jahren schon hält man der „Mission für polnischsprachige Katholiken“ eine zweite Messe in der sonst weitgehend leerstehenden St. Laurentius vor. Dabei platzt der Sechziger-Jahre-Bau mit seinen 260 Sitzplätzen schon bei den regelmäßigen Samstags-Gottesdiensten aus allen Nähten, an Feiertagen kommen bis zu 700 Menschen. Die deutschsprachige Vahr-Gemeinde aber sieht das Seelenheil ihrer polnischsprachigen Mitglieder in Gefahr, weil deren Domkapitular January Kownacki „die Auffassung hat, er müsse hier missionieren“, so Jürgen Lange aus dem Kircherat. „Wenn die ihre Jugendlichen in die polnischen Gottesdienste schleppen“, falle die Integration flach, ergänzt Katholikensprecher Tacke, der von den Polen Gefahren fürs moderne Image seiner Kirche befürchtet.

Die Menschen, die am vergangenen Samstag zwischen Rasenwalzer und Spielothek ihr St.Laurentius-Fest feierten, wollten das nicht nachvollziehen. „Warum sollen wir nicht einmal in der Woche unsere Heimatsprache sprechen“, fragt Boguslav, der seit 12 Jahren als Tupperware-Verkäufer in der Vahr lebt: „Meine Mutter blieb nach dem Krieg als Deutsche in Polen und wollte immer, daß wir auch deutsch sprechen lernen. Und genauso habe ich jetzt Angst, daß meine Kinder das Polnische verlernen.“

„Hier darf man auf den Altar pinkeln – ist das etwa modern?!“ polemisiert der 43jährige Deutschpole Jerzy Mankowski, der sich offensiv für den Erhalt der Kirche einsetzt. Seine 79jährige Mutter Janina aber unterbricht ihn: „Darauf kommte es doch gar nicht an: Die sollen uns nur in Ruhe unsere Gottesdienste machen lassen.“ Doch auch sie sei schon anonym aus der deutschen Gemeinde beschimpft worden, sagt die gebürtige Polin, die in den Fünfziger Jahren nach Bremen kam.

Wilhelm Tacke hingegen wiegelt ab. Frau Mankowska sei die „einzige Tante“ die wegen dieser Sache „rumrödelt“. Natürlich würden „die Polen“ für ihre Messe einen anderen Standort bekommen. Wenn auch nicht unbedingt da, wo sie wohnen: In der Vahr, in Kattenturm oder Huchting. ritz

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