: Zimmer mit Aussicht
■ Macht der Raum die Musik, oder macht die Musik den Raum? Das äußerst kreative Dachstübchen H7 am Rödingsmarkt
Veranstaltungen sind nicht an die Größe von Räumen gebunden. Auch auf der Toilette läßt sich, drastisch gesprochen, Theater spielen. Und auf dem Dachboden Konzerte veranstalten. „Man muß sich den Ort für seine Zwecke definieren“, sagt Heiner Metzger. Als er er zusammen mit Judith Haman in den sechsten und siebten Stock am Rödingsmarkt 19 einzog, war die ganze Fläche noch in einzelne Ateliers unterteilt. Schnell wurde den beiden klar, daß man diese Zimmer mit Aussicht noch sinnvoller nutzen könnte. H7 – eine Kombination aus „Hoch“ und 7. Stock – war geboren. Mit den Disziplinen nimmt man's hier oben nicht so genau: Die bildene Kunst besitzt den gleichen Stellenwert wie die klingende Kunst. Was schon in der Tatsache begründet ist, daß Haman aus dem einen Bereich kommt und Metzger aus dem anderen.
Einmal monatlich finden Veranstaltungen in ihrem kombinierten Wohn- und Arbeitsraum statt (Informationen unter: Tel. 36 46 29). Im Winter allerdings nur im sechsten Stock, weil es ganz oben dann zu kalt ist. Das Publikum ist klein, aber erlesen. Es genießt einen unbegrenzten Blick über Hamburg, während die Künstler grenzüberschreitend malochen. „Unsere Abende sind meist zweigeteilt“, erläutert Metzger, der selbst regelmäßig in die Tasten haut. „Im ersten Teil kommt ein Gast und spielt ein Solo. Im zweiten improvisiert er mit Hamburger Kollegen.“ Mehr als eine Performance können die beiden pro Monat schon organisatorisch nicht durchführen. Außerdem mangelt es – natürlich – an Geld.
Dennoch ist H7 inzwischen Anlaufstelle für Künstler aus ganz Deutschland. Und selbst international renommierte Künstler wie der Russe Mischa Feigin haben schon den eigentümlichen kammermusikalischen Flair dieses Ortes genossen. „Der Raum stellt eine gewisse Nähe zwischen Zuhörer und Aufführenden her“, so Metzger, der schon viel über die Wirkung von Musik in bestimmten räumlichen Situationen gegrübelt hat. Macht der Raum die Musik, oder macht die Musik den Raum? „Wir hatten hier einmal einen Saxophonisten, bei dessen Performance wir den Raum ständig neu organisiert haben, der Musiker mußte mit seinem Instrument auf die veränderte Situation reagieren.“ Über den Wolken muß die Freiheit wohl grenzenlos sein, aber hier im siebten Stock vom Rödingsmarkt 19 bewegt man sich auch schon recht zwanglos.
Eberhard Spohd
Am Freitag erscheint Teil vier des großen taz-Reports „Kultur greift Raum“. Dann lesen Sie über die Hörbar – Barbetrieb bei Radiorauschen.
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