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KommentarJapanischer Neofeudalismus

■ Eine klatschende Ohrfeige für Japans Wähler

Nachdem die japanische Bevölkerung der LDP in den Oberhauswahlen eine Abfuhr erteilte, die Premier Ryutaro Hashimoto zum Rücktritt zwang, haben die Mächtigen der Partei mit einer klatschenden Ohrfeige geantwortet. Gegen alle Umfrageergebnisse in der Bevölkerung und den Warnungen des Finanzmarktes haben sie den glanzlosen Parteifunktionär und Außenminister Keizo Obuchi zum neuen Chef der Regierungspartei gewählt.

Das Ergebnis zeigt, daß für die LDP die Volksmeinung belanglos ist. Der Aufstand der Wähler an der Urne wird ignoriert. In der LDP-Parteizentrale feiert der Feudalismus sein Comeback. Man kann es als japanischen Neofeudalismus bezeichnen, daß die LDP nach bald 50 Jahren Alleinherrschaft glaubt, das Land noch immer in traditionell paternalistischer Manier am besten führen zu können.

Die Enttäuschung in der Bevölkerung über die Auswahl der LDP ist enorm. Die Aufbruchstimmung der letzten Tage ist wieder einem neuen Pessimismus gewichen. Es scheint, daß die LDP immer noch nicht begriffen hat, daß ein entscheidender Grund für die Konsumverweigerung der Japaner in der tiefen Vertrauenskrise in die Regierung liegt. Ein Mann mit neuen Visionen für eine bessere Zukunft war gefragt, statt dessen präsentiert die LDP einen glanzlosen Funktionär, der auf die Stimmen von alten, aber mächtigen Hintermännern hören muß.

Entscheidende Reformen sind nun nicht zu erwarten. Unter Obuchi wird bestenfalls weitergewurstelt. Damit wird sich wohl die pessimistische Prognose, daß Japan eine Gefahr für die Weltwirtschaft bleibt, bewahrheiten. Acht Jahre einer falschen Wirtschaftspolitik haben aus einer der vitalsten Volkswirtschaften der Welt einen kränkelden Greis gemacht. Zu hoffen ist, daß die Opposition die Gelegenheit nun beim Schopf packt und die LDP unter Druck setzt. Das schuldet sie vor allem den vielen Jugendlichen, die sich nach einem Ausbruch aus den starren gesellschaftlichen Strukturen im Lande sehnen. Ihnen fehlt eine Vision, die sie beflügelt, aktiv an einem Umbau Japans teilzunehmen.

Erkennen die LDP und ihr neuer Chef Obuchi diese Zeichen nicht rechtzeitig, dann kann man davon ausgehen, daß die Regierungspartei mit ihrer gestrigen Wahl gleichzeitig ihren Untergang besiegelt hat. Hoffentlich wird dann auch gleich der japanische Neofeudalismus definitiv ausgemerzt. André Kunz Bericht Seite 8

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