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Wenn Banken heiraten Von Iris Hanika

Es ist etwas Schreckliches geschehen: Meine Bank hat geheiratet und will jetzt nichts mehr von mir wissen. Sie hat irgend so einen dahergelaufenen Bankert aus Nämmberch („Nürnberg“) kennengelernt und sich ihm sofort hingegeben, ohne uns, ihre treuen Kunden, auch nur zu fragen. Ihre Schwiegereltern sind so eine neureiche Angebermischpoche, die stolz wie Harry herumerzählt, daß sie bald die zweitgrößte Bank in Deutschland sein wird. Als ob das was wäre, auf das man stolz sein könnte: die zweitgrößte Bank in Deutschland! Dazu sagt die größte doch einfach „Peanuts“.

Was habe ich meine Bank geliebt! Ihre Computerterminals waren Tag und Nacht für mich da, und ich konnte dort immer alles machen, was ich wollte, ohne daß es mir hätte peinlich werden müssen, zum Beispiel 3,28 Mark aufs Sparbuch überweisen, damit da ein runder Betrag drauf ist, oder Kontoauszüge ausdrucken, so lange ich lustig war. Ich mag nämlich kein Bargeld. Für mich hat immer nur gezählt, was auf dem Bildschirm angezeigt wurde oder was auf den komischen Blättchen zu sehen war, die der Neunnadeldrucker von seinem ausgelutschten Farbband heruntersabbelte. Zum Schluß konnte ich sogar übers Internet mit meiner Bank kommunizieren. I never walked alone. Es war alles total modern und total gemütlich.

Jetzt ist es wie im Mittelalter und sehr autoritär: Sobald ich meinen Kontostand anschaue, zieht meine Bank den Küchenwecker auf, damit's auch bloß nicht länger als eine Minute dauert, ich kriege keine Kontoauszüge, ich kann keine Überweisungen machen, ich kann kein Internetbanking machen. Ich kann gerade noch Geld abholen. Aber das kann ich bei anderen Banken auch, das ist nun wirklich nichts Besonderes.

Meine blöde Bank! Vor ein paar Jahren hat sie uns, ihre sie liebenden Kunden, gefragt, wie sie aussähe, wenn sie ein Mensch wäre. Wir haben gesagt, wie ein spießiger Bankangestellter, ist doch klar. Offenbar hat sie uns das übel genommen. Also will auch meine Bank kein spießiger Bankangestellter sein, sondern wild und frei leben oder so, und da fällt auf Sicherheit bedachten 20jährigen Tucken natürlich nichts Besseres ein, als zu heiraten. Und gibt, wie man sich denken kann, ihren Namen auf, gibt ihre Bankleitzahl auf, und dann hat sie immer noch nicht genug, sondern nimmt mir auch noch meine Kontonummer weg und redet nicht mehr mit mir.

Ich habe so oft versucht, bei ihr anzurufen, daß mir zwischendurch das Telefon kaputtging, nur damit sie endlich die CD-ROM mit dem Hochzeitsvideo und der Installationssoftware fürs Internetbanking schickt. Und als die CD-ROM dann endlich kam, war das der blanke Hohn: Ich kann mit der Installationssoftware nämlich nichts anfangen, weil ich keinen quadratmetergroßen Farbbildschirm habe, sondern nur einen kleinen Schwarzweißbildschirm. Ja, ich bin meiner Bank nicht mehr fein genug. Sie will jetzt neue Freunde haben – und entblödet sich nicht, überall Kontaktanzeigen aufzuhängen, mit denen sie Hinz und Kunz die Instant-Freundschaft verspricht: Schneller als man „Strafzettel“ sagen könne, würde sie ihnen Kredit geben. Und mir nicht einmal einen Kontoauszug!

Nein, Liebe zählt für eine Bank nicht. Die ist ja doch bloß am Geld interessiert.

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