piwik no script img

Ich hab' noch Öl in den Ohren aus Madrid Von Wiglaf Droste

Waren Sie schon einmal in Madrid? In Madrid gibt es Geldautomaten, die jeden, der weisungsgemäß eine Plastikkarte in einen Schlitz schiebt, so laut zusammenbrüllen, daß man weiß: Der Generalissimus Franco lebt. Als Geldautomat. Genauer: als spanischer Geldautomat. Denn der Spanier ist – akustisch gesehen – der Handwerker unter den Menschen. Kann man das sagen: „akustisch gesehen“? Kann man denn mit den Ohren gucken? Oder hört das dritte Auge mit? In Madrid schon. Sonst sprächen sie dort nur noch mit den Fingern.

Unbedingt empfiehlt sich in Madrid ein Besuch des Museo Nacional del Prado; erstens ist es dort leise, und zweitens kann man Goya gucken. Und im Museumskatalog lesen, daß Goya früh ertaubte. Kein Wunder: Er lebte ja in Madrid.

In Madrid ist jeder Taxifahrer ein entlassener oder entsprungener Studienrat und verbessert Sie mit dem Charme eines Pedells: „Hotel TraFALgar, por favor“, bittet, das Wort im Englischen auf der zweiten Silbe betonend, der Fahrgast – der Kutscher aber schweigt ein Schweigen der finsteren Art. Die Bitte wird wiederholt; nun plötzlich, wie ein Boulevardschauspieler sich mit übertriebener Geste an den Kopf greifend, kommt der Fahrer aus dem Sulky: „Aah! TrafalGAR! TrafalGAR!“ kanzelt er den verdutzten Fahrgast ab.

Entsprechend extrempeinlich sind in Spanien lustige Patzer: Für das Frühstückscroissant bittet man um die – vom Kellner freiwillig nicht herausgerückte – Butter. Dazu müßte man, soviel gäbe das Sprachführerspanisch normalerweise schon her, nach „mantequilla“ fragen. Weil man aber noch gar nicht richtig wach ist und in Ferien und überhaupt, bittet man statt dessen um „burro“ – was, soviel weiß der Mann von Sprachführerwelt, ebenfalls Butter heißt – allerdings auf italienisch. Im Spanischen dagegen heißt „Burro“: Esel – was dann ja auch das passende Wort für den morgendlichen Butterbitter ist. Der Spanier aber verzieht dazu keine Miene. Lächeln oder vergnügt sein findet er nämlich feige oder schwul oder ganz und gar ogottogott.

Der Spanier zerfällt in drei Teile: Lärm, kein Spaß und Olivenöl. Wenn sie einmal einen Entkräftungs-Schock haben von der Art, daß sie dringend Fett aufnehmen müssen, schlagen Sie unbedingt Ihre Reißzähne vampirettig in einen Spanier hinein und saufen ihn aus. Aah, tut das gut – sieben Liter reines Olivenöl, kalt und humorlos gepreßt. Sie können allerdings ebensogut und unaufwendiger in Madrid essen gehen; „essen gehen“ ist der spanische Euphemismus dafür, sich bis zur Knorpelkante der Speiseröhre inwendig mit Olivenöl auszukleiden. Anschließend können Sie dann quasi in sich selbst schwimmen gehen – und das sogar als Nichtschwimmer, denn das Öl trägt Sie sanft und sicher, und bevor es zuviel wird, schmeißt der Magen Sie raus.

Weil er das Olivenöl liebt, legt der Spanier alles darin ein: Gurken, Käse, die Frau, seine Haare, das Skrotum – was Sie wollen. Für Freunde der besonders erlesenen spanischen Küche hält der spanische Gourmet sogar in Olivenöl eingelegtes Olivenöl bereit. Das einzige, was dem Spanier an seinem Öl allerdings überhaupt nicht gefällt, ist, daß es nicht brüllen kann. Aber seien Sie unbesorgt: Er arbeitet dran.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen