■ H.G. Hollein: Gesprächspartner
Die Frau, mit der ich lebe, ist offenbar eine repräsentativ Befragte. Wie sonst ließe sich erklären, daß mir die Gefährtin – wohlgemerkt wortlos! – eine „Für Sie“ in die Hand drückt, in der eine Umfrage kolportiert wird, derzufolge Männer angeblich zuwenig redeten. Nicht an sich, aber mit ihren Frauen. 69 Prozent aller Gefährtinnen finden den Ihren demnach zu schweigsam. Gute 50 Prozent beklagen aber auch, daß er ihr nicht richtig zuhöre. Das mag auf den ersten Blick als unlösbares Dilemma erscheinen. Als Ausweg bleibt natürlich immer die vermehrte Bekundung partnerorientierter Aufmerksamkeit vermittels der Frage: „Was hast du eben noch gesagt?“ Damit schlüge man zwar – rein umfrage-statistisch gesehen – zwei Fliegen mit einer Klappe, danach, so meine Erfahrung, kommt man allerdings erstmal eine Zeitlang wieder nicht zu Wort. Und das, wo – doch wohl die gleichen – 56 Prozent es angeblich durchaus schätzen, wenn der Partner humorvoll ist. Die Katze, die mich duldet zum Beispiel, versteht es geradezu meisterhaft, mir eine gepflegte Konversation abzuringen. Sie klettert dann einfach maunzend auf mir rum. Das tut die Gefährtin zwar auch manchmal, aber dabei komme ich irgendwie auch wieder nicht richtig zum Reden. Und das, wo laut „Für Sie“ zwei Drittel aller Befragten Komplimente vermissen. Zu denen kann sich die Gefährtin nun aber gewißlich nicht rechnen. Ich habe ihr doch schon mal gesagt, daß sie bezaubernd ist. Und so was ändert sich ja nicht. Schließlich: Ein Mann – ein Wort. Und überhaupt: „Wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen.“ Es war immerhin Wittgenstein, der das gesagt hat. Bedenklicherweise hat er diese Erkenntnis aber nicht überlebt. Ich muß mit der Gefährtin vielleicht doch mal ein paar Takte reden.
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