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■ Urdrüs wahre KolumneUm Gott und die Welt

Die Abschiebung des City-Marshall Ralf Borttscheller wg. Menschenjagd auf den Togolesen Abass fordert PDS-Sprecher Werner Herminghaus, und dem muß nun doch widersprochen werden: Ist nicht der Grundsatz der Resozialisierung ein zu hohes Gut, als daß man ihn aus moralisch verständlicher Empörung kippen sollte? Wir empfehlen, daß der Rehabilitant vier Wochen lang im Eine-Welt-Laden als Putzfrau tätig werden muß oder die Karawane der Flüchtlinge als Küchenjunge begleitet. Wenn er dabei genügend Fleißpunkte sammelt und vielleicht sogar erste Anzeichen von Reue zeigt, sollte man auf eine Deportation unbedingt verzichten: Wir können doch nicht alle Problemfälle vom rechten Rand per Ausweisung entsorgen – wer um alles in der Welt soll uns die Typen denn abnehmen?

SPD-Chef Oskar Lafontaine hat vorgeschlagen, daß Bundestagskandidaten seiner Partei einen Praktikanten respektive eine Praktikantin für kreative Impulse im Wahlkampf bekommen. Zur Vermeidung von politischen Spätfolgen empfehlen wir nachdrücklich, den kreativen Impulsgebern abwaschbare Kunststoff-Overalls als Dienstkleidung anzudienen.

Daß die Doktor Mabuses der Bremer Hochschulforschung jetzt auch Miez und Maus für ihre zotenhaften Grundlagenexperimente mißbrauchen wollen, sollte den Tiger in uns wecken. Krallen raus und ran! Und damit daraus eine echte Massenbewegung wird, streuen wir bitte unter den KatzenhalterInnen zwischen Huchting und Overniggeland das Gerücht, daß vorgestern in Walle oder Huckelriede wieder ein vergitterter Kleinbus mit nur notdürftig überklebter Aufschrift UNI BREMEN gesichtet wurde und seitdem die Bewohner ganzer Straßenzüge als Käufer von Whiskas und Sheeba ausfallen: Denn wer kämpft für das Recht, der hat immer recht!

Den Bremer Jusos mit ihrem Discount-Materialismus möchte Endesunterzeichneter sich als laientheologischer Referent für ein Wochenendseminar über Gott und die Welt andienen. Ihre Forderung, statt biblischem Unterricht in Schulen „die Lernfelder Politik und Philosophie zu stärken“, greift mir doch ein bißchen kurz: Schließlich fallen diese Disziplinen ja nun ganz und gar nicht vom blauen Himmel der reinen Erkenntnis...

Ozonwerte noch und nöcher. Babies wimmern, Asthmatiker röcheln, und mein Freund der Baum hat Kopfschmerzen. Die Herrenfahrer der Moped-Serie GOLDWINGS aber rasen sinnlos aus allen Ecken und Kanten nach Bremen, um die „gute Stube“ zu verstänkern. Und wenn dann die Luden, Zahnärzte, Diskothekenbetreiber oder normal Durchgeknallte ihr Dreirad am letzten Wochenende auch noch mit dem Slogan „Für den, der sonst schon alles hat“ verzieren, dann erinnern wir uns nur zu gern jenes Nobelschlittens, den wir vor einigen Wochen als Totalschaden mit der Heckscheiben-Parole „Eure Armut kotzt mich an“ an der A 2 bewundern konnten. Ist wie beim Lotto: Einmal klappt's bestimmt!

So geht es zu in „Renis Back-Shop“ am Sonntag morgen: Ein mit allen Insignien der Schwarzarbeiterzunft versehener Typ im wandfarbenverklecksten Blaumann verlangt „vier Normale, zwei Mohn und zwei Camping“. Die Verkäuferin hakt geschäftstüchtig nach: „Und dazu die BILD AM SONNTAG?“ Fast entsetzt wehrt der Kunde ab: „Bei Dir kann man ja keinen Schluck kaufen. Und ohne Korn vertrag ich Zeitunglesen nicht...“ Dies Streiflicht beweist für mich nachdrücklich, daß die Bonner Koalition keine Mehrheit mehr hat!

Am Hauptbahnhof fragt mich eine ganz ganz richtige Dame um die 70 mit Krokotasche und Laura-Ashley-Kostüm, ob ich ihr den Koffer zum Bahnsteig bringen könne – sie müsse aber zunächst noch eine Fahrkarte kaufen. Da es nach Hannover geht, biete ich generös die Mitnahme auf meinem Wochenend-Ticket an. Unter angeregtem Geplauder über Themen wie den prügelnden Welfenprinzen und die Schlagersängerin Vicky Leandros vergeht die Fahrt nur allzuschnell – am Ende der Reise aber zückt die Dame noch ihre Brieftasche und übergibt mir ohne Duldung irgendeines Widerspruchs 30 Mark und versichert schelmisch: „Ich bin noch nie in meinem Leben schwarz gefahren. Mit Ihnen hab ich das jetzt praktisch mal gemacht!“ So hält auch das gesetzte Alter noch neue Lebenserfahrungen bereit: Legal. Illegal. Right now!

Empfiehlt allen SeniorInnen der Welt

Ulrich „Do it!“ Reineking

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