: Stures Beharren auf den Kreuzen
■ Während Polens Primas Glemp im Streit um Auschwitz vermitteln will, heizen Ultrakatholiken die Situation an. Derweil kursieren Gerüchte, daß Geheimdienste in die Affäre verstrickt sind
Warschau (taz) – Auf dem Kiesplatz vor dem ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz geht es zu wie auf einem Jahrmarkt. Ein Übertragungswagen des Fernsehens ist vorgefahren, Journalisten und Pilger warten ungeduldig auf Rabbiner Abraham Weiss. „Sobald er hier eintrifft, reicht ein Anruf, und 2.000 Leute sind hier“, sagt Kazimierz Switon, der sechs Wochen lang zur „Verteidigung des Papstkreuzes in Auschwitz“ gehungert hat.
Seine Forderung, für die 1941 hier von den Nazis erschossenen 152 christlichen Polen je ein großes Kreuz aufstellen zu lassen, unterstützte Polens Primas Jozef Glemp zunächst. Doch seine Erklärung war nicht mit den Bischöfen abgesprochen. Nur zwei Tage später regte er an, die Kreuze in einer feierlichen Prozession an einen anderen Platz bringen zu lassen. Jetzt aber hören die Ultrakatholiken in Auschwitz nicht mehr auf seine Worte: „Wir sind die Kirche“, quittierte Kazimierz Switon als Vorsitzender des selbsternannten „Komitees der Verteidiger des Kreuzes“ die Forderung des Primas, keine weiteren Kreuze mehr in Auschwitz aufzustellen. Der Kardinal habe mit seiner Forderung doch nur dem Druck der Juden nachgegeben.
Die Regierung, der das Problem mit dem antisemitischen Pächter in Auschwitz bereits seit Jahren bekannt ist, beginnt jetzt nach einer „dauerhaften Lösung“ zu suchen, wie Ministerpräsident Jerzy Buzek in einem Brief an den Ratsvorsitzenden des Holocaust-Museums in Washington schrieb. Diese Lösung müsse gleichermaßen das Recht von Christen und Juden respektieren, an den „Orten des Leidens Symbole zu benutzen, die der religiösen Tradition der Opfer der Nazirepression entsprechen.“ In Auschwitz sind neben einer Million Juden aus ganz Europa auch knapp 100.000 christliche Polen umgebracht worden.
Die konservative Tageszeitung Zycie setzte unterdessen die These in Umlauf, daß an der ganzen Kreuzaffäre in Auschwitz der Geheimdienst schuld sei, möglicherweise sogar der KGB. Die Karmeliterinnen, die Priester und die Gläubigen seien damit einer Provokation zum Opfer gefallen. Der Pächter des Grundstücks nämlich, so erinnert Zycie, sei Mieczyslaw Janosz, ein Mann, dessen Name bereits Anfang der 90er Jahre mehrmals groß durch die Presse ging, da er vor Gericht gestellt werden sollte.
In den 60er Jahren hatte Mieczyslaw Janosz zusammen mit seinen Brüdern für den polnischen Geheimdienst Juwelierläden und Banken in mehreren westeuropäischen Ländern ausgeraubt. Das Diebesgut wurde mit Wissen der Stasi dann waggonweise nach Polen geschafft. Das Innenministerium verzichtete Mitte der 90er Jahre dann doch darauf, gegen Janosz und den eigenen Geheimdienst zu ermitteln.
Die „Affäre Eisen“ versandete, Janosz machte sich als Immobilienmakler in Bielsko-Biala selbständig und gründete eine Kriegsopfergesellschaft. Für diese pachtete er das ehemalige Karmeliterinnenkloster. Den Nonnen hatte sich Janosz mit der Herausgabe des antisemitischen Buches „Die Wahrheit über die Karmeliterinnen und unser Gewissen“ empfohlen. Gabriele Lesser
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