: „Im Ton vergriffen“
■ In einem Briefwechsel streiten GAL und SPD-Sozialsenatorin Roth ums Wohngeld
Nach sechs Wochen Wartezeit darf die GAL heute endlich bei Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) vorsprechen. Die SPDlerin wird sich vom Koalitionspartner persönlich anhören müssen, daß sie die Kürzung des Wohngelds zurücknehmen soll. Den Grünen geht es nämlich gewaltig gegen den Strich, daß SozialhilfeempfängerInnen einer neuen Weisung zufolge nur noch dort wohnen dürfen, wo die Miete für einen Ein-Personen-Haushalt höchstens 621 Mark beträgt. Das ist weniger, als viele Sozialwohnungen kosten. Ist diese Grenze überschritten, müssen die Betreffenden umziehen.
Als die GAL auf ein Treffen drängte, erklärte Roth zunächst, sie gehe davon aus, daß „kein weiterer Gesprächsbedarf besteht“. Die Sozialsenatorin, die Widerworte gar nicht schätzt, beklagte sich außerdem über die öffentliche Kritik der GAL an ihrer Entscheidung. In Pressemeldungen hätten Parteichefin Antje Radcke und die Abgeordnete Susanne Uhl sich „im Ton arg vergriffen“. Die beiden Grünen hatten gemutmaßt, Roth habe sich von sozialpolitischen Prinzipien verabschiedet. „Ein Witz“ sei Roths Weisung, so Radcke. „Richtig schizophren“, urteilte Uhl.
In solchen „relevanten Punkten“ sei künftig ein „gegenseitiges Einvernehmen“ zu erzielen, „bevor“ (fettgedruckt) Roth die Entscheidung in die Welt hinausposaune, schrieben die GALierinnen zurück. Drohungen gegenüber SozialhilfeempfängerInnen wollten die Grünen jedenfalls nicht mittragen. Ein Gespräch sei dringend erforderlich.
Roth begründet die Neuregelung damit, daß die Mieten in die Höhe getrieben würden, wenn das Sozialamt jede Summe zahle. Außerdem belasteten die Kosten die öffentliche Hand. Umzuziehen oder sich einen Untermieter zu suchen, sei durchaus zumutbar. „Der freie Wohnungsmarkt funktioniert leider nicht auf die Weise, daß, wenn der Sozialhilfeträger nur noch abgesenkte Mieten finanziert, Vermieter ihre Wohnungen generell zu geringeren Mietpreisen am Markt anbieten“, belehren die GALierinnen die Senatorin. Besser sei es, für die Hilfeempfänger den Mitgliedsbeitrag für einen der Mietervereine zu zahlen. So könne im Zweifelsfall gegen Mietwucher geklagt werden.
Silke Mertins
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