: Mut zum Minikapitalismus
Mit neuen Formen eines sozialen und ökologischen Ideen-Bankings tun sich Hamburgs Kreditinstitute noch recht schwer ■ Von Florian Marten
„Vielleicht wäre es denkbar, daß der Direktor einer Bank die Geschäftsleute des Viertels an einen Tisch bringt, um Lösungen für drängende Probleme zu finden.“ Bei seiner Rede zu „globalen und lokalen Herausforderungen für Wirtschaft und Politik“ Anfang Januar in der Handelskammer unterbreitete Stadtchef Ortwin Runde der versammelten ökonomischen Führungsriege ganz konkrete Vorschläge. Denn, so der SPDler, „auch Unternehmer haben soziale Verantwortung“.
In der Bankenwelt freilich ist die Botschaft nicht so recht angekommen. Die Hamburger Sparkasse vermerkt heute trocken: „Diese Anregung ist uns nicht konkret vorgetragen worden.“ Die Hamburgische Landesbank fühlt sich erst gar nicht angesprochen, schließlich habe sie keine Filialen. Und die Vereins- und Westbank bekennt offen: „Derartige Überlegungen stehen bei uns nicht im Focus.“
Ganz anders ist das beim Institut für Finanzdienstleistungen (IFF) des HWP-Professors Udo Reifner. Seit Jahren bemüht sich das IFF, der „recht konservativen Hamburger Bankenwelt“, so ein Mitarbeiter, den Gedanken nahezubringen, daß sich auch mit sozialen, ökologischen und stadtteilbezogenen Investments gutes Geld verdienen läßt. Während die Banken derartiges Engagement allenfalls unter Marketing- oder Sponsoringgesichtspunkten sehen, glaubt das IFF fest an die Möglichkeit, ausländische Erfolgsmodelle auch nach Hamburg importieren zu können.
Zum Beispiel das „social banking“ der ökonomisch erfolgreichen Stadtteilbank „South shore“ in Chicago, die Geld an Leute verleiht, die von normalen Banken niemals als bonitätsfähig erachtet würden. Oder den „Mikro-Fundsz“ der gelernten Großbankerin Rosalind Copisarow, welche ein in Bolivien sehr erfolgreiches Modell jetzt in Polen zur Blüte bringt: Risikokapital in Kleinstbeträgen für Kleinunternehmen – ein Geschäft, das herkömmlichen Banken viel zu popelig ist.
Dabei ist ein derartiges Kleingeschäft erheblich solider als viele große. Sowohl in Chicago als auch in Polen liegt die Kreditrückzahlungsrate mit mehr als 98 Prozent deutlich über dem Branchenschnitt. Gemeinsame Grundidee dieser Ansätze ist ein sozial und lokal motivierter Mini-Kapitalismus, der dort anpackt, wo Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik versagen. Er stimuliert Selbsthilfe, verbessert die Lebensbedingungen, schafft Arbeitsplätze, sorgt für Qualifikation und bringt wirtschaftlichen Aufschwung gerade in sogenannte benachteiligte Stadtteile.
Eine Stadtteilbank also auch für Hamburg? Oder ein Risikokapitalfonds für kleine ExistenzgründerInnen, der Kredite auch nach sozialen und ökologischen Kriterien vergibt? Das IFF arbeitet derzeit ganz im Stillen an beiden Projekten. Nachdem jedoch vor zwei Jahren das Vorhaben scheiterte, ein Social-banking-Projekt in St. Georg zu verwirklichen, übt sich das Institut in Zurückhaltung: „Nur wenn wir starke herkömmliche Partner in Hamburg finden, lassen sich derartige Projekte auch verwirklichen.“
Die Chancen dafür stehen nicht einmal schlecht. Die Denkweise in der Hamburger Bankenwelt hat sich gewandelt – vernetztes Denken, mehr Bereitschaft zu unkonventionellen Ansätzen und eine größere Offenheit gegenüber ökologischen und sozialen Fragen sind unverkennbar. Die Hamburgische Landesbank unterzeichnete jüngst ein Papier zur Agenda 21, dem Konzept des Umweltgipfels von Rio, der zu lokalem und regionalem Umsteuern in Richtung auf ein nachhaltiges, Umwelt und soziale Verhältnisse berücksichtigendes Wirtschaften auffordert.
Die Vereins- und Westbank verblüffte bereits 1993 auf dem behördlichen Stadtentwicklungsforum für Hamm-Süd und Hammerbrook mit dem Vorschlag einer stadtteilbezogenen Risiko-Kapitalgesellschaft, die – aus städtischen und privaten Mitteln gespeist – Grundstücke und sanierungsbedürftige Gebäude erwirbt und diese dann verbilligt an ausgewählte Investoren verkauft. Und auch die Nachwuchskulturförderung der Vereins- und Westbank (Veranstaltungsreihe „Jugend kulturell“) oder der John-Lennon-Förderpreis der Itzehoer Versicherung, die sich sogar einen eigenen Jugendkulturförderer leistet, weisen in die richtige Richtung.
Hamburgs Banken müssen sich dennoch sputen, wollen sie im Standortwettbewerb nicht abgehängt werden. Anfang August unterzeichneten in München acht Kreditinstitute ein gemeinsam erarbeitetes Papier zur Agenda 21. Darin verpflichten sich die Unternehmen nicht nur, ihren Betrieb in Sachen Verkehr, Müll, Energie und Gebäudetechnik zu optimieren. Tatsächlich sollen auch „ökologische Kriterien in die Bonitätsprüfung bei der Kreditvergabe eingehen“ und das Konzept eines nachhaltigen Wirtschaftens „Geschäftspartnern, Kunden, Anteilseignern und Mitarbeitern“ nahegebracht werden.
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