piwik no script img

■ QuerspalteUdo Röbels Skrupel

Nanu, was war denn gestern mit Bild los? Gar keine CDU- Anzeige drin. War Hans-Hermann Tiedje am Vortag irgendwie unpäßlich? Ist ihm nix eingefallen? Kaum vorstellbar. Schließlich ist dem Mann, der einst als Bild-Chef ziemlich genial Kohl flachlegte („Der Umfaller“) und damit seine Springer-Karriere ins Rutschen und den Kanzler zum Toben brachte, noch immer was eingefallen. Auch seitdem er seine Brötchen in Papa Hintzes Braintrust nun als Kohl-Hinsteller verdient. Wieso also gestern kein Tiedje-Bonmot in Bild?

Wie die SZ enthüllte, soll Udo Röbel, als Chefredakteur bei Bild inzwischen in Tiedjes Sessel, die CDU-Anzeige Donnerstag höchstselbst aus dem Blatt geworfen haben. Wie, warum? Sollte der Text nach den gängigen Bild-Leitlinien womöglich politisch nicht korrekt gewesen sein? Nö. „Hoppla, jetzt kommt nichts“, hatte Tiedje im Hinblick auf Schröders „100-Tage-Plan“ getextet. Nun gut, Tiedje war schon mal besser, zumal die Anzeige schon in der Welt erschienen war. Wieso also die Vorbehalte des Herrn Röbel? Die Anzeige sei in Layout und Typographie so gehalten, daß sie vom redaktionellen Text womöglich nicht zu unterscheiden sei. Ist ja löblich, wenn ein Chefredakteur die Rezeptionskompetenz seiner Leser kennt. Nur galt das für alle bisherigen CDU-Anzeigen auch. Woher also die Skrupel?

Vermuten wir mal, Udo Röbel hat sich am Mittwoch abend im Fernsehen gesehen. Im RTL-Dokudrama in Sachen „Gladbeck“ sah man den Journalisten (seinerzeit noch in Diensten des Kölner Express), die Sakko-Ärmel rolandkaisermäßig aufgekrempelt, noch einmal, wie er mit den Gangstern zunächst ein Schwätzchen hielt und sich schließlich gar in deren Auto drängte. Ob Röbel danach schwer in sich gegangen ist oder Kollegen ihn am nächsten Morgen gehänselt haben, wissen wir nicht. Aber daß dieser unvermittelte Anfall von journalistischer Seriosität in Sachen CDU-Anzeige irgendwie mit „Gladbeck“ zusammenhängt, da sind wir uns eigentlich ganz sicher. Reinhard Lüke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen