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Wohin mit TBT-Schlamm?

■ Illegale Verklappung des Bremerhavener Giftschlammes in die Weser befürchtet / Bremen spendiert 60 Millionen Mark für Frischwasserkanäle / Kein endgültiges Entsorgungskonzept

„Wir wollen gerne verklappen“, wünscht sich der Leiter des Hanseatisch Bremischen Hafenamtes in Bremerhaven, Hinrich Gravert. Nach Aussagen des Hafenkapitäns versacken schon Anfang diesen Herbstes große Schiffe im Bremerhafener Hafenschlamm.

Der mit dem Umweltgift Tributylzinn (TBT) verseuchte Schlick darf seit einem Jahr nicht mehr in den Nationalpark Wattenmeer gekippt werden. Wissenschaftler stellten dort eine Schädigung der Meeresfauna durch TBT fest. Einige Tierarten drohen auszusterben.

Trotzdem möchte Gravert den verseuchten Dreck in die Weser kippen. Favorisiert ist der Weserkilometer 69, neben der Pier des Containerterminals. Hier gehört ein Uferstreifen von 50 Meter Breite zu stadtbremischem Gebiet. Allerdings benötigt Gravert zur Verklappung auch die Genehmigung vom Wasser- und Schiffahrtsamt des Bundes. Obwohl diese Genehmigung noch nicht vorliegt, sind die Baggerarbeiten bereits ausgelobt.

Nach geltendem Recht ist eine Verklappung an Kilometeter 69 illegal. Einträge dürfen nicht höher belastet sein als das Wasser und der Boden an der Verklappungsstelle. Das Bremerhavener Baggergut ist aber zehnmal mehr mit TBT verseucht, als die Sedimente in der Weser bei Kilometer 69. Außerdem weist ein Gutachten des Hafenamtes an Kilometer 69 erhöhte Jungfischbestände aus. Die sind direkt durch TBT und zusätzlichem Schlamm gefährdet.

„Wie bei der Dünnsäureverklappung brauchen wir eine Übergangsfrist für die TBT-Entsorgung“, fordert Gravert. Und weiter: „Wir bringen kurzfristig weniger TBT in die Weser als in einem bestimmten Zeitraum durch den normalen Schiffsverkehr ohnehin in die Weser fließt.“ TBT ist in Anstrichfarben für Schiffe enthalten. Es soll ein Anwachsen von Algen am Schiffsrumpf verhindern. „TBT ist international erlaubt. Es darf nicht sein, daß uns wegen des TBT belasteten Baggergutes der Hafen dicht gemacht wird“, meint der Hafenamtsleiter.

Bislang hat Bremen versucht das Schlickaufkommen in den Häfen zu verringern. In dieser Woche sollen nach Auskunft des Hafenamtes 60 Millionen Mark vom Bremer Senat bewilligt werden, um zwei neue Zuwasserungskanäle in die Häfen zu bauen. Bei Flut wird so sauberes Wasser in die Hafenbecken geleitet. Das bedeutet höherer Wasserstand ohne zusätzlichen Schlick. Völlig ungeklärt dagegen ist, wie der verseuchte Schlick aus den Häfen überhaupt entsorgt werden soll. Jürgen Ritterhoff von der Aktionskonferenz Nordsee befürchtet: „Bremen will Schlick verringern, den Rest wie üblich verklappen. Um das genehmigt zu bekommen, fordert es viel zu hohe Grenzwerte für TBT. Dabei wird TBT in den nächsten Jahren weltweit verboten.“

Zur Zeit wird geprüft, ob in Bremerhaven kurzfristigt der TBT-Schlamm zwischengelagert werden kann. Eine andere Alternative gibt es zur Verklappung aktuell nicht. Der Landkreis Wesermarsch und die Städte Brake und Nordenhamm haben für diesen Fall mit Klage gedroht. Die Interessensgemeinschaft der Weserfischer hat Aktionen gegen die Verklappung angekündigt. Durch ihre Strafantzeige von 1995, war das Schlamm-Problem überhaupt erst öffentlich geworden. Damals hatte das Land Bremen Baggergut aus Bremerhaven in den Nationalpark Wattenmeer verklappt - ohne Genehmigung. Thomas Schumacher

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