: Eisenman-Entwurf wird gezeigt
■ Nach Wochen der Geheimniskrämerei wird der überarbeitete Entwurf für das Holocaust-Mahnmal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Senat berät heute über Mahnmal
Der seit Juni unter Verschluß gehaltene Entwurf für das Holocaust-Mahnmal wird ab morgen der Öffentlichkeit zugänglich sein. Das überarbeitete Modell des US- Architekten Peter Eisenman, der 2.500 unterschiedlich hohe Betonstelen als begehbares Erinnerungslabyrinth konzipierte, kann ab 11 Uhr in der Senatsbauverwaltung in der Behrenstraße 42 in Mitte besichtigt werden.
Hier wird heute morgen auch der Senat zusammentreten, um die insgesamt drei verbliebenen Entwürfe des Wettbewerbs gemeinsam zu begutachten. Mit einem Beschluß wird heute allerdings nicht mehr gerechnet, nachdem sich Bundeskanzler Helmut Kohl und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) darauf verständigt haben, daß eine Entscheidung erst nach der Bundestagswahl fallen soll.
Am Wochenende hatten sich die fünf SPD-SenatorInnen im Büro von Arbeitssenatorin Christine Bergmann zu einer Vorbesprechung getroffen. Über drei Stunden dauerte das Treffen, bei dem Szenarien für die Senatssitzung durchgespielt wurden. Die SPD wird heute darauf drängen, daß der Senat an dem Mahnmal am Brandenburger Tor festhält.
Rückenwind erhalten die Sozialdemokraten von James E. Young, der einer vom Senat berufenen Expertenkommission angehört. In einem Gutachten äußerte sich Young, der an einer amerikanischen Universität eine Professur für Anglistik und Judaistik innehat, „enthusiastisch“ über den veränderten Eisenman-Entwurf. Das Denkmal komme der unlösbaren Aufgabe so nah wie menschenmöglich. Der überarbeitete Entwurf schaffe einen sogar noch ausdrucksstärkeren Raum der erinnernden Kontemplation als das erste Modell, so Young. Sowohl das Ausmaß der Zerstörung als auch die zurückbleibende Leere würden durch die an Grabsteine erinnernden Stelen ausgedrückt. Der Besucher stehe vor der Anforderung, seinen eigenen Weg durch das Mahnmal zu finden.
Die Frakionschefinnen der Grünen, Michaele Schreyer und Renate Künast, drängten den Senat gestern, bei seiner heutigen Beratung eine Entscheidung zu treffen. Die Republik erlebe derzeit eine unwürdige Debatte um das Mahnmal. Eine Entscheidung müsse noch vor dem Regierungsumzug im nächsten Jahr getroffen werden. Dies sei „die notwendige politische Geste“, mit der auch gezeigt werde, in welcher Kontinuität die Institutionen des Bundes nicht stehen werden, erklärten Schreyer und Künast. „Wer nach den Diskussionen und den Anhörungen der letzten zehn Jahre nun die Debatte noch mal von vorn beginnen will, will das Mahnmal nicht.“ Die Gefahr sei, daß es dann niemals ein Holocaust-Mahnmal in Berlin geben werde. Dorothee Winden
Berichte Seite 1 und 4
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