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Konzentration aufs Wesentliche

Kein Zentrum, das wichtiger ist als der Rest: Ab heute ist der überarbeitete Entwurf des Berliner Holocaust-Denkmals von Peter Eisenman öffentlich zu sehen  ■ Aus Berlin Ulrich Clewing

Zwei Monate wurde Peter Eisenmans überarbeiteter Entwurf für das Holocaust-Denkmal im Berliner Zeughaus unter Verschluß gehalten. Die wenigen Auserwählten, die ihn währenddessen zu Gesicht bekamen, äußerten sich nur sehr vage über sein Aussehen. Doch nun ist die Zeit des Spekulierens vorbei. Gestern wurde das neue Modell aus dem Büro des New Yorker Architekten der Presse vorgestellt, seit heute ist es im Gebäude der Berliner Senatsbauverwaltung in der Behrensstraße 42 öffentlich zugänglich.

Das Wichtigste vorab: Der Charakter des Entwurfs hat sich nur marginal geändert. Als Bundeskanzler Helmut Kohl nach einem Gespräch mit Eisenman Anfang des Jahres eine Modifizierung des Modells anmahnte, gab dies Anlaß zu der Befürchtung, der beeindruckende, in gewisser Weise kompromißlose Entwurf, der aus einer Zusammenarbeit Eisenmans mit dem Bildhauer Richard Serra entstanden war, könnte verwässert, inadäquat aufgehübscht und damit entwertet werden. Ein Blick auf die Überarbeitung zeigt, daß die Vorbehalte grundlos waren.

Zwar wurde die Zahl der Betonpfeiler, aus denen sich das „Feld der Erinnerung“ (Eisenman) zusammensetzt, von ursprünglich 4.000 auf rund 2.700 reduziert. Der irritierende Eindruck, sich an einem Ort zu befinden, der „kein Ziel hat, kein Zentrum, das wichtiger ist als der Rest“, ist jedoch geblieben. Immer noch, so legt es zumindest das Modell nahe, werden die BesucherInnen hier mit ihrer eigenen Desorientierung konfrontiert. Nicht die schlechteste Empfindung angesichts der gestalterischen Aufgabe, die nach einer „Lösung des Unlösbaren“ verlangt, wie es der Historiker und vom Berliner Senat zur Beurteilung der Mahnmalsentwürfe berufene Gutachter James E. Young formulierte.

Verringert wurde auch die lichte Höhe der Pfeiler: Sie beträgt jetzt höchstens vier Meter, anstelle von fünf im ersten Entwurf. Von übertriebener Monumentalität kann daher nicht die Rede sein, zumal die zweite Fassung des Modells augenscheinlich noch kleinteiliger strukturiert ist. Nun steigt und fällt in einer Art Wellenbewegung nicht nur das Bodenniveau des Denkmals, auch die Höhe der Pfeileroberkanten variiert stärker. Die Pfeiler selbst sind bis auf ihre Höhe so dimensioniert wie im ersten Entwurf. Sie sind 2,3 Meter breit, 92 Zentimeter tief, auch der Abstand zwischen ihnen mißt wie gehabt 92 Zentimeter. Gleich geblieben ist auch die Anordnung der Pfeiler. Sie neigen sich leicht aus der Senkrechten, wodurch das an sich statische Ensemble eine die Schwere des Ganzen mildernde Bewegung erlangt. Eine offensichtliche Veränderung betrifft dagegen die Einbettung des Denkmals in die Umgebung, namentlich den Übergang zu den umlaufenden Straßenzügen. Dort ist Baumbepflanzung vorgesehen, mit wintergrünen Kiefern, Platanen und Linden. Doch sind die Baumreihen nicht geschlossen. Immer wieder wird von den Straßen aus ein Blick auf das Pfeilerfeld freigegeben. Von einem sentimentalen „Gedenkhain“ ist dieses Denkmal nach wie vor Lichtjahre entfernt.

Was noch an dem überarbeiteten Entwurf auffällt, ist, daß er die Beschaffenheit des Baumaterials präzisiert. Die Pfeiler sollen aus Beton gegossen werden und eine fahle, sandsteinartige Außenhaut bekommen. Der Boden des Denkmals wird aus einem mittelkörnigen Schotterstein bestehen, der jeden einzelnen Schritt hörbar machen soll.

Ein weiteres großes Fragezeichen stand bisher hinter der Inschrift, die das Denkmal tragen wird. Eine Vielzahl von Vorschlägen stand zur Diskussion. So war daran gedacht, die Namen der Vernichtungslager in die Pfeiler einzumeißeln, andere plädierten für die Nennung der Länder, aus denen die ermordeten Juden stammten. Davon hat sich Eisenman zum Glück nicht aus dem Konzept bringen lassen. Jetzt ist geplant, die Widmung, deren genauer Text noch nicht feststeht, am Rand des Denkmals anzubringen.

War schon die erste Fassung des Eisenman-Modells der gelungenste der in die engere Wahl gezogenen Entwürfe, so ist die zweite nun noch einleuchtender in ihrer Kompaktheit und der Konzentration auf das Wesentliche. In seinem Gutachten schrieb der Historiker Young: „Wir werden nicht beruhigt durch solch ein Gedenken, es versöhnt uns nicht mit dem Massenmord an sechs Millionen Juden.“ So sehen die vielfältig vorgebrachten Einwände gegen den Entwurf von Eisenman jetzt ihrem gerechten Ende entgegen: Sie sind mit dem heutigen Tag hinfällig geworden.

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