piwik no script img

Der olfaktorische Faktor Von Wiglaf Droste

Der letzte Befehl aus dem Führerbunker lautete: „Der deutsche Mann riecht gut!“ Und seitdem tut er das auch, der deutsche Mann, das Gutriechen. Vorbei sind die Zeiten, in denen er nach Iltis roch oder nach Alcôl. Na ja, vorbei nicht, aber er schmiert sich etwas anderes drüber, und nicht nur so was wie Hattrick oder Adidas.

Cool Water zum Beispiel wird gern genommen, auch wenn Experten wie Herr Dr. Stoppok davor warnen: Mir klebte der Essener Olfaktoralanästhesist einmal sogar einen selbstgemalten Totenkopf aufs Rasierwasserfläschchen. Ich aber trank das Zeug trotzdem weiter und bin, wie man so sagt, immer gut damit gefahren.

Alarmierend irritierend an Cool Water ist allerdings der Reklamespot. Wie Rasierwasserwerbung mit Uwe Seeler oder Hardy Krüger als penetrant heterosexuell bezeichnet werden muß, gilt für Cool Water das Prädikat aufdringlich schwul. Ein spacker, ausgebratener und strammer Herrenkörper wackelt mit den Backen, springt in ein Gewässer und schnauft allerlei zusammen. Wasser läuft ihm übers Gesicht, und aus dem Off röchelt eine fies auf Sinnlichkeit getrimmte Stimme: „Cool Water.“

Als ich den Spot das erste Mal sah, dachte ich: Schade. Homosexualität ist auch keine Lösung. Nicht einmal eine ästhetische.

Dann spielte mir ein Geschenk des Zufalls ein Produkt in die Hände, von dem ich berichten muß. Es heißt Chrome mit „e“, spricht sich also nicht einfach nur „Chrom“ aus, sondern französisch „Chrohmöh“. Das Urteil über das Riechwässerchen hat der Hersteller, ein Mann mit dem Künstlernamen Louis Azzaro, selbst gefällt und dem Stoff einen Beipackzettel hinzugefügt, auf dem seltsamerweise die Worte „Risiken und Nebenwirkungen“ nicht auftauchen. Sonst aber ist alles tiptop:

„Der Flacon, klar und deutlich in seinen Linien, strahlend und transparent zugleich, umschließt einen vibrierenden, azurblauen Duft und schafft so eine einzigartige Harmonie zwischen Stärke und Sanftheit. Männlich und klar wie das Metall. Lassen Sie sich ein, auf ein Dufterlebnis der besonderen Art! CHROME ist die einzigartige Verbindung von erfrischend-spritzigen und sanftholzigen Noten, von einer leichten Moschus-Basis getragen. CHROME hat die Macht eines Sonnenstrahls. Gebündelte, mitreißende Energie, Vitalität und verführerische Kraft: CHROME – solange es Männer gibt.“

Ohne kleinlich zu werden: Kann „ein Duft vibrieren“? Und wenn ja – möchte man das? Ist ein „Duft azurblau“? Oder war's der Werbetexter? Und muß man nicht, wo immer man besäuselt wird, „sich einlassen“ zu sollen, die schnellen Schuhe schnüren und rennen, weil psychosoziale Gespräche drohen und Weisheiten wie „Männer können sich nicht einlassen“ ums Eck lugen? Und heißt, wer zu Chrome greift, zur Strafe dann Jerôme? Ist das der Preis für riechen und gerochen werden?

Oder sollte man nicht zur Selbstbeglückung den Schnorchel unter die Eigenachsel stecken wie ein Vogel den Schnabel ins Gefieder? Oder sich ins Bettchen verfügen, eine gute Dröhnung Selbstgeruch nehmen und selig schlafen wie der Dichter Joachim Ringelnatz, der sein Bett „mein Riechtwieich“ nannte?

Über all diese wichtigen Fragen grübelte ich noch lange bei einem Fläschchen Pitralon.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen