Analyse: Alt und unrealistisch
■ SPD-Chef Lafontaine wünscht sich eine Ordnung für die Weltfinanzen
In Zeiten des Umbruchs besinnen sich Skeptiker gern auf starke Institutionen. Die sollen dann das mutmaßliche Chaos durch eine geregelte Intervention dämmen. Die derzeit weitreichendste Entwicklung betrifft den Strom von Kapital und Waren. Oskar Lafontaine, möglicher SPD-Finanzminister, hat schon öfters die Globalisierung kritisiert und eine Lenkung dieser Entwicklung gefordert. In einem Interview der Woche fordert Lafontaine nun heute einen „Ordnungsrahmen für die Weltfinanzmärkte“. Denn die „neoliberale Ideologie mit ihrem Glaubenssatz der Deregulierung [ist] auf den Weltfinanzmärkten an der Wirklichkeit zerschellt“. Für Dollar, Yen und Euro solle daher eine Bandbreite festgelegt werden, in der sie schwanken dürfen.
Dieses System fester Wechselkurse ist nicht neu. So sicherten die Industriestaaten des 19. Jahrhunderts ihre Währungen durch Gold ab. Da alle Währungen einen Gegenwert in Gold hatten, schwankten die Währungen untereinander nur sehr beschränkt. Dieses autonom entstandene System hielt bis zum 1. Weltkrieg. In den folgenden 30 Jahren handhabte jeder Staat seine Währung, wie es beliebte. Nach dem 2. Weltkrieg – als die Welt durch supranationale Organisationen geordnet werden sollte – trat erstmals eine vertraglich festgelegte internationale Währungsordnung in Kraft. In dem amerikanischen Badeort Bretton Woods hatten sich bereits 1944 die Mitglieder der „United Nations Monetary and Financial Conference“ geeinigt, einen Internationalen Währungsfonds und eine Weltbank zu gründen. Sie sollten Krisen – wie nach dem Börsencrash von 1929 – verhindern. Die Währungsordnung verpflichtete die Staaten, zu bestimmten Zeiten Devisen zu kaufen oder abzustoßen, um Währungen zu stützen.
Das ging so lange gut, wie sich die Staaten gleichmäßig wirtschaftlich entwickelten. Doch durch den Vietnamkrieg druckten die USA derart viele Dollar, daß das System ins Wackeln kam. Im Zuge der Ölpreiskrise 1973 brach das System von Bretton Woods schließlich endgültig zusammen.
Die EG-Staaten versuchten daraufhin, wenigstens ihre Währungen stabil zu halten, zunächst mit der sogenannten Währungsschlange, dann mit dem ausgefeilteren Europäischen Währungssystem (EWS). Aber auch das EWS scheiterte an den wirtschaftlichen Realitäten und brach in der nächsten Rezession 1993 auseinander, nachdem Pfund und Lira 1992 verfallen waren.
Lafontaines Vorschlag ist also nicht nur alt, sondern auch unrealistisch. Währungen spiegeln den Wert einer Volkswirtschaft wider: Geht es der Wirtschaft gut, ist die Währung stabil. Momentan jedoch läuft die Konjunktur in den USA, Japan steckt hingegen in einer Rezession. Und die EU-Staaten berappeln sich gerade erst. Ulrike Fokken
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