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Wenn alle nur abwinken

Existenzgründerprogramme für junge Leute ohne Ausbildung und ohne finanzielle Sicherheiten sind oftmals nur Makulatur.Berliner und Brandenburger Jugendhilfeexperten wollen mit speziellen Programmen etwas dagegen unternehmen  ■ Von Jeannette Goddar

Die Idee kam Katja schon vor Jahren: Selbständig sein, auf eigenen Füßen stehen, sich nicht herumkommandieren lassen. Vor zwei Jahren war es dann soweit: „Ich wollte weder zurück auf den Bau noch zum Sozialamt. Und organisieren konnte ich schon immer ganz gut.“ Katja, gerade erst 30, begann darum zu kämpfen, einen Laden in der Oranienstraße zu übernehmen und ein eigenes Hamburger-Restaurant aufzumachen.

Das Hauptproblem: Geld. Anfangs wollte sie einen Kredit über 50.000 Mark aufnehmen, um ein richtiges Restaurant nach US- amerikanischem Diners-Vorbild aufzuziehen. Sie zog von Bank zu Bank, von Verwaltung zu Verwaltung und legte ihr Konzept auf den Tisch. Bekommen hat sie keinen Pfennig, obwohl ihr Schwager für sie gebürgt hätte. „Wahrscheinlich war ich war zu jung und dann noch eine alleinstehende Frau, die haben alle nur abgewunken.“ In Gastronomiebetriebe wollte schon mal gar niemand investieren.

Mit professioneller Hilfe klappt es

Am Ende fand Katja mit professioneller Hilfe eine Stiftung, die einen Teil der Finanzierung übernahm. Den Rest hat sie sich von Freunden, Bekannten und Verwandten zusammengeborgt. „Und 70 Prozent dessen, was ich vorhatte, mußte ich streichen.“ Statt an Tischen und Stühlen wird im „Kreuzburger“ jetzt im Stehen gegessen; das Aufstellen von Barhockern scheitert an den fehlenden Toiletten. Trotzdem – der Laden läuft, auch wenn selbst Katja sich manchmal kaum erklären kann, warum. „Von allen Seiten hat man mir Steine in den Weg gelegt, wo es nur ging.“

Tatsächlich sind Existenzgründerprogramme für junge Leute, ohne Ausbildung und ohne Sicherheiten, oft nur Makulatur. „Bei der Förderung von jungen Menschen gibt es oft erhebliche Widerstände“, bestätigt auch Karin Lücker, die sich im Brandenburger Jugendministerium damit beschäftigt, wie man Jugendlichen den Schritt in die Selbständigkeit erleichtern kann. Karin Lücker ist nicht die einzige, die an dem Thema arbeitet.

Seit über einem Jahr beschäftigt sich eine Gruppe Berliner und Brandenburger Jugendhilfeexperten und Praktiker damit, ein Konzept zu entwickeln, das jungen Leuten ermöglicht, ihren eigenen Betrieb zu gründen. Die Idee dahinter: Es mangelt an Ausbildungs- wie Arbeitsplätzen, immer mehr Jugendliche werden in Warteschleifen untergebracht, aus denen sie nie wieder wirklich rauskommen.

Auf der anderen Seite haben gerade Jugendliche oft eine Menge kreativer Ideen und sind weniger ängstlich, wenn es um deren Umsetzung geht, als manche Erwachsene. Gedacht ist dabei nicht an die Gründung großer Unternehmen, sondern kleiner Geschäfte, für die man oft nicht mehr als 10- bis 20.000 Mark braucht. So könnten Jugendliche mit einer Tätigkeit Geld verdienen, die sie ohnehin schon ausüben – und zwar oft in Schwarzarbeit: Dielenschleifereien, Kurierdienste, CD-Produzenten, Internet-Agenturen oder Uhrmacher könnten so entstehen.

In den Räumen der Jobbörse im Prenzlauer Berg wird seit dem vergangenen Winter Beratung für jugendliche Existenzgründer angeboten und findet „regen Zuspruch“, wie Beraterin Sibylle Weiser erzählt. „Von der Fahrradwerkstatt über Musikmanagement bis zur Skateboardhalle hatten wir eine Menge gute Ideen“, sagt Weiser. Das Hauptproblem neben der Finanzierung, das kaum zu lösen sein wird, solange keine entsprechenden Programme aufgelegt werden („Jugendliche, die keine Bürgschaft bekommen und auch gar nicht so viel Geld brauchen, sind für Banken nicht interessant“), ist meist die Organisation. So erteilt die Beratung vor allem Nachhilfe in Verwaltungsarbeit und Buchführung. Das Argument, daß man gerade Jugendliche mit einem Existenzgründerkredit in die hoffnungslose Verschuldung treibt, läßt Weiser nicht gelten: „Die meisten sind nicht wegen Bankkrediten verschuldet, sondern weil sie so lange arbeitslos sind.“

Dennoch versucht die Gruppe auch vernünftige Finanzierungskonzepte für Jugendliche zu entwickeln. An staatliche Unterstützung wird dabei ebenso gedacht wie an Banken und Sozialsponsoring. Das leuchtende Vorbild ist England: Dort arbeitet seit Jahren der „Prince's Youth Business Trust“ unter der königlichen Leitung von Prinz Charles: Die Stiftung, zu sechzig Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert, zu vierzig aus privaten, stellt arbeitslosen und existenzgründungswilligen jungen Leuten zwischen 18 und 30 Jahren bis zu 4.500 Mark zur Verfügung, die nicht zurückgezahlt werden müssen.

Mentoren stehen mit Beratung zur Seite

Außerdem können sie zu günstigen Konditionen ein Darlehen über 15.000 Mark erhalten. Im Falle von Zahlungsrückständen ist die Stiftung kulant. Außerdem bekommt jeder Jugendliche für sein Vorhaben einen „Mentor“ – idealerweise jemanden, der selbst einen Betrieb hat und vor allem bei Verwaltungs- und betriebswirtschaftlichen Fragen zur Seite steht. Dazu kommen regelmäßige Schulungen von sogenannten „Professionals“, die für die jungen Leute obligatorisch sind.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Etwa zwei Drittel der über 20.000 Unternehmen, die in den ersten zehn Jahren gegründet wurden, waren nach drei Jahren noch im Geschäft. Damit liegen sie gut im Schnitt: Nach einer Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft sind das exakt genauso viele, wie in Deutschland die ersten drei Jahre überstehen.

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