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Unter Handwerkerbeschuß. Kriegstagebuch IV. Ein Vermächtnis Von Wiglaf Droste

Zuletzt beschrieb ich an dieser Stelle – Handwerkerangelegenheiten betreffend –, wie ich mit einem 20-Liter-Eimer Wasser in der Hand einen Mann vertrieb, der mit einer Flex – also quasi mit einer Stalinorgel respektive einer Spex – in meiner direkten Nähe dicke Steinfliesen durchjaulte. Der Platz reichte nicht aus, um das Ende der Sache zu erzählen: Zwar legte der Mann seine Waffe so langsam und geradezu rituell nieder wie einer der Burschen aus den Krimis seine Knarre, und ich feierte die mit diesem Sieg verbundene Geräuscharmut auch euphorisch, aber ich wußte: Er würde wiederkommen. Was er auch tat – und zwar nicht alleine. Er kam zu fünft zurück, und alle trugen sie Handwerkerwaffen. Das war's dann.

Also gilt es zu gestehen: Es war – Remember the Alamo – ein tapferer Kampf, aber er ging verloren. Sie waren stärker. Sie waren zu viele. Es ging nicht. Ich mußte die Waffen strecken und mich ergeben: Aus, vorbei. „Abandon ship“, wie der Engländer sagt. Oder, mit Roald Dahl gesprochen: „Steigen aus – Maschine brennt.“

Die wie eh und je heftig verehrte Gisela Güzel, ebenfalls seit Wochen unter schwerer Handwerkerartillerie liegend – die sich in ihrem Fall „Auswechseln der Fenster im Haus“ bzw. „Neue Balkone im Haus gegenüber“ nennt –, schlägt zur Rehabilitation ein Erholungsheim für Handwerkergeschädigte vor. Das ist eine gute und grundhumane Idee.

Ich sehe das Heim vor mir. „Haus Ohrentot“ soll es heißen und auch genau so sein: Alles dort ist leise. Jedermann gleitet auf Strumpfsocken oder in weichen Puschen durch die Räume. Selbst die Pfleger sprechen gedämpft. Niemals schreit jemand – bis auf die schweren Fälle im Keller, aber die sind sicher versteckt hinter schalldichten Gummiwänden. Die sind erledigt – die haben sie gekriegt. Mit Lärm. Die hat die Handwerkerinnung auf dem Gewissen – nein, Gewissen stimmt nicht, denn dieser Luxus ist bei Handwerkern nicht eingebaut, nicht einmal gegen Aufpreis.

Dieser verdammte Krieg.

Eines Tages aber werden tapfere, unerschrockene Journalisten alles rückhaltlos aufdecken, was dort in den Kellern vergraben liegt – am besten das ulkige Parvenü- Duo Ulrich Meyer/Georgia Tornow auf FAB-TV, in einer Tandem-Rikscha liegend und anschließend live auf dem Heißen Stuhl von Handwerkern zermalmt, ja zermolmen werdend.

Sie sehen schon – dies sind die letzten und überaus bescheidenen Träume eines an Handwerkern gealterten, eines von Handwerkern zerbrochenen Mannes: Die Burschen haben mich fertiggemacht. Ich bin am Ende und durch mit dem Thema. Ich will nichts mehr als meine Ruhe vor Handwerkern. Inserate für eine neue Wohnung habe ich schon aufgegeben – die wichtigste Bedingung lautet: „gern auch in Friedhofsnähe“. Aber wer weiß – vielleicht liegen da ja auch Handwerker begraben. Und machen munter weiter.

Denn eins habe ich gelernt im Kampf gegen die Handwerker: Der Geist ist sterblich. Aber ewig singen die Sägeblätter.

P.S.: So spricht die neue Vermieterin: „Die Miete ist zwar ein bißchen höher, aber dafür wird nächstes Jahr garantiert das Treppenhaus völlig renoviert...“ – Und so erfahre ich: Es gibt sie auch für Männer, die Totaloperation.

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