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Bessy II taucht aus dem Wahlkampfloch

■ Wissenschaftspolitiker feiern Start des neuen Elektronenspeicherrings. Geforscht wird an der Anlage erst Ende 2000. Sie könnte den Hahn-Meitner-Forschungsreaktor überflüssig machen

Pünktlich zum Wahlkampf- Endspurt hat Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) das 195 Millionen Mark teure Forschungsprojekt „BessyII“ in Betrieb genommen. Beim medienwirksamen Startknopfdruck in Adlershof halfen auch Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) und Parteikollege Eberhard Diepgen. Erst Ende des Jahres 2000 jedoch sollen „in einer ersten Ausbaustufe 30 Meß- und Experimentierplätze“ fertig werden, so die Bessy- Betreibergesellschaft. Der Endausbau der Forschungsanlage ist erst für das Jahr 2008 geplant. Die Baukosten teilen sich je zur Hälfte Land und Bund.

Der „Elektronenspeicherring“ BessyII liefert Bilder winziger molekularer Oberflächen. Dazu werden Elektronen in einer 240 Meter langen kreisförmigen Röhre auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Bis zu 16 Tonnen schwere Magnete zwingen die Elektronen dabei auf ihre kreisförmige Bahn. Dabei geben die negativ geladenen Teilchen „hochbrillante Strahlung“ ab. Mit Hilfe dieser „Synchrotronlicht“ genannten Strahlung sollen Oberflächen sowohl von mikroelektronischen Kristallschichten als auch organischen Zellen und Flüssigkeiten analysiert werden.

Die „Unterstützung der deutschen Industrie bei der Entwicklung von Hochleistungsobjektiven für die Mikrolithographie“ sowie „Qualitätskontrollen hochreiner Halbleitermaterialen“ seien mit BessyII zukünftig möglich, erklärte Burkhard Wende von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB).

Kritik angesichts der Industrieorientierten Vergabe von Forschungsgeldern wies Zunkunftsminister Rüttgers gestern zurück: „Wenn zukünftig Forschungsgelder beantragt werden, sollen zukünftig auch Verwertungspläne erstellt werden“, beschrieb er seine Strategie „zukünftiger Forschungsförderung“.

Mit der Inbetriebnahme von BessyII steht nicht nur sein Vorgängermodell „Bessy“ in Wilmersdorf vor dem Aus. Auch der Weiterbetrieb des Forschungsreaktors im Hahn-Meitner-Institut ist unklar. Kerstin Schneider, Sprecherin von Wissenschaftssenator Radunski, ging von einer Schließung der Wilmersdorfer Bessy-Forschungsanlage aus: „Die siedeln nach BessyII um“, so ihre Erwartung.

Bessy-Geschäftsführer Wolfgang Gudat sah außerdem einen „Überlapp“ der Bessy-II-Aktivitäten mit der Arbeit im Hahn-Meitner-Institut (HMI). FU-Physiker hatten schon vor Jahren mehrfach erklärt, anstelle des HMI-Reaktors samt seiner Atommüllproduktion könnte „als Alternativtechnik“ zur Strahlenproduktion der Elektronenspeicherring BessyII gebaut werden. Radunski lehnte gestern eine Schließung des HMI- Reaktors ab. Peter Sennekamp

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