: Der neue Sturm auf das Elfenbein
In Kenia geht die Jagd auf die Elefanten weiter. Die Verwaltungen der Nationalparks sind am Rande des Bankrotts, die Einnahmen aus dem Tourismus gehen zurück ■ Von Daniel Postulka
Berlin (taz)– Die illegale Jagd auf Elefanten in Kenia geht weiter. Mehrere Fälle von Wilderei in den bewachten Nationalparks haben in diesem Jahr die unabhängigen Tierschutzgruppen beunruhigt. Steigende Armut im Land, die zunehmende Verbreitung von Waffen und die Schlupflöcher des Artenschutzabkommens CITES machen die Tiere wieder zu begehrten Zielen von Wilddieben. Der „Kenya Wildlife Service“ (KWS), die Verwaltung der Parks, steht kurz vor dem Bankrott und kann den Schutz der Tiere in den Parks kaum gewährleisten.
Wilderei hat es in Kenia immer gegeben. Auch nach dem Beschluß der CITES (Convention on International Trade in Endangered Species) im Jahre 1989, durch den die Elefanten unter bedingungslosen Schutz gestellt wurden, ging das Morden weiter. Doch das totale Handelsverbot zeigte Wirkung. Zumindest die Nationalparks waren in den letzten Jahren von der Wilderei verschont geblieben. Nun sehen lokale Tierschützer nicht nur einen Anstieg der Wilderei, sondern auch eine qualitative Veränderung: Bisher trauten sich die Wilddiebe nicht in die bewachten Parks. Doch nun wittern die Wilderer wieder bessere Absatzmöglichkeiten.
Wie die meisten mit Tierschutz befaßten Verbände führt auch Daphne Sheldrick vom „David Sheldrick Wildlife Trust“, einem in Kenia ansässigen Wildtierschutz– verband, die Zunahme der Wilderei auf die Relativierung des erwähnten Beschlusses der CITES im Juni letzten Jahres zurück. Dort bekamen Simbabwe, Botswana und Namibia die Erlaubnis, ein festgelegtes Kontingent von Elfenbein an Japan zu verkaufen. Der Handel ist damit nicht etwa wieder erlaubt worden, der Elefant ist nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen weiter eine der bedingungslos geschützten Arten. Doch ist Sheldrick der Meinung: „Wo immer ein Markt ist, gibt es auch illegalen Handel.“
Allen Bemühungen der CITES zum Trotz, durch die Kennzeichnung und Kontingentierung der Ware einen Mißbrauch der Handelserlaubnis auszuschließen, geht Sheldrick davon aus, daß dieser Markt die neuen Wilderer lockt und es trotz Kontrollen Schlupflöcher für illegalen Handel geben wird.
Roland Melisch vom WWF, der die Lockerung des Handelsverbots unterstützt, teilt diese pessimistische Einschätzungen allerdings nicht: „Die emotional geführte Debatte unterschlägt, wie einmalig restriktiv die Handelsgenehmigung tatsächlich ist.“ Er sieht keine Möglichkeit, die Handelsbeschränkungen illegal zu umgehen.
Der „Kenya Wildlife Service“ ist bankrott. Der Tourismus, seine wichtigste Einnahmequelle, ist in den letzten vier Monaten um 70 Prozent zurückgegangen. Schuld daran sind zunächst die Regenfälle, die Seuchen auslösten und die Infrastruktur zerstörten. Selbst die einzige große Straße zwischen den Metropolen Mombasa und Nairobi versank in den Fluten. Dadurch waren große Teile des Landes, unter anderem auch der Tsavo-Nationalpark für Touristen fast unerreichbar. Doch auch die Unruhen nach den Wahlen und zwei Touristenmorde im Frühjahr und der Bombenanschlag von Nairobi schreckten viele Touristen ab. Die Sicherheit für Reisende scheint nicht mehr gewährleistet.
Die bürgerkriegsähnlichen Zustände um die Jahreswende nach der Wahl im Dezember haben die Armut im Land weiter verstärkt. Viele Kenianer sind nach den Unruhen stark bewaffnet. Arbeitslose, notleidende Kenianer oder Flüchtlinge aus Somalia würden ohne weiteres für ein paar Dollar einen Elefanten wildern, um den Stoßzahn zu verkaufen, meint Sheldrick, wenn sich nur ein Käufer finde.
Die Elfenbeinjäger wählen weniger kontrollierte Gebiete außerhalb der Parks, weil sie fürchten, in den stark bewachten Parks von den Wildhütern des KWS ertappt zu werden.
Außerhalb der Parks werden die Dickhäuter jedoch auch von Bauern gejagt, denn sie stehen in direkter Konkurrenz zueinander, sobald die Tiere über die Grenzen der Parks wandern. So töten die Landbewohner von Zeit zu Zeit Elefanten, weil die Tiere ihre Existenz bedrohen, wenn sie ihre Felder und Gärten verwüsten. Die Wildhüter finden gewilderte Elefanten, deren sonst so begehrte Stoßzähne gar nicht abgeschlagen wurden.
Die Lösungsvorschläge von Daphne Sheldrick richten sich, abgesehen von ihrer kritischen Einstellung gegenüber der Handelslockerung durch die CITES, besonders an den KWS: Er solle seine Verwaltung effizienter gestalten und das wenige Geld lieber für die Kontrolle der Parks nutzen, statt seine Ressourcen darauf zu verwenden, den aufwendigen Anforderungen der UN–Bürokratie nachzukommen. Zudem solle er seine Patrouillen auf die Parks konzentrieren, außerhalb sei die Kontrolle sowieso aussichtslos. Die Forderung, keine unnötigen Ressourcen auf die UN-Bürokratie zu verwenden, hilft dem KWS indes kaum weiter. Ohne die UNO-Unterstützung ist sein Überleben noch stärker gefährdet. Helfen kann den Parks noch ein Anstieg des Tourismus, der wieder das nötige Geld ins Land bringen würde.
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