: Second-Hand-Job mit Haken
Arbeitsamt streicht HamburgerInnen Lohnzuschüsse gegen den Willen der Sozialbehörde. Die verklagt nun das Bundesamt ■ Von Heike Dierbach
„Ich bin ein aktiver Typ.“ Karin G. hat Spaß an ihrer Arbeit. Die 59jährige Kauffrau organisiert im Kulturzentrum Haus Drei in Altona Literaturveranstaltungen, Flohmärkte und die Verwaltung. Bezahlt wird die ehemalige Langzeitarbeitslose zu 65 Prozent von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) und zu 35 Prozent vom Arbeitsamt Hamburg. Dieses hatte ihr im April 1997 die Stelle vermittelt – befristet bis zum 30. 9. 1999. Dann wäre die achtjährige Höchstförderungsdauer erreicht. Nun soll Karin G. aber schon Ende September gehen – das Arbeitsamt hat ihre Weiterförderung in dieser Woche endgültig abgelehnt.
Grund ist eine Änderung der Sozialgesetzgebung vom 1. 1. 1998, nach der die Höchstdauer der „Eingliederungszuschüsse“ für ältere ArbeitnehmerInnen von acht auf fünf Jahre reduziert wird – „pro Stelle natürlich“, interpretiert das Arbeitsamt. „Nein, pro Person“, widerspricht die BAGS – die immerhin den Großteil des Gehalts bezahlt. Für vier HamburgerInnen, die von der neuen Gesetzesinterpretation des Arbeitsamtes betroffen sind, will die BAGS gar vor Gericht kämpfen: Sie reichte entsprechende Musterklagen gegen die zahlungsunwillige Bundesbehörde beim Sozialgericht Hamburg ein.
„Der betreffende Paragraph sagt, die Förderungsdauer richtet sich nach ,den Leistungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers“, argumentiert BAGS-Sprecher Stefan Marks. „Das Kapitel heißt aber ,Leistungen an Arbeitgeber“, kontert Manfred Klostermann, Sprecher des Arbeitsamtes. Davon abgesehen habe sowieso niemand einen Rechtsanspruch auf eine fünfjährige Förderung. Die zeitliche Begrenzung solle bewirken, daß „möglichst viele Arbeitslose einmal in den Genuß von Zuschüssen kommen“.
Tatsächlich bekommen dagegen seit Jahren immer weniger ältere Menschen Lohnkostenzuschüsse. Waren es 1992 noch 1500 in Hamburg, so sind es heute weit unter 1000. „Dabei ist die Zahl der älteren Langzeitarbeitslosen im gleichen Zeitraum um 40 Prozent gestiegen“, kritisiert die BAGS in ihrem Arbeitsmarktbericht 1997 die „sinnwidrige Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung“.
„Aber auch die BAGS könnte ja für die von der neuen Regelung Betroffenen eine Anschlußfinanzierung übernehmen“, fordert Johannes Jörn, Vorstand der Tarifgemeinschaft Hamburger Beschäftigungsträger. „Das könnte aber den Bund zu weiteren Kürzungen ermuntern“, befand der Senat und beschloß bereits 1991, entsprechende Finanzierungslücken keinesfalls aus dem Stadtsäckel zu decken.
Welche Behörde auch immer nicht zahlt – „Opfer sind wieder die Menschen“, kritisiert Jörn: „Erst eröffnet man ihnen eine Perspektive, und dann wird die doch wieder zerschlagen.“ In die Arbeitslosigkeit zurückzukehren, wäre für Karin G. „ganz schrecklich“. Schon jetzt leidet sie deshalb unter Schlafstörungen. Auch für das Haus Drei wäre der Weggang ihrer Mitarbeiterin bedrohlich. „Der ganze Literatur- und Bürobereich wäre akut gefährdet“, fürchtet Pressesprecher Fritz Gleis. Bis über die Klage gegen das Arbeitsamt entschieden ist, wird es für Karin G. zu spät sein.
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