piwik no script img

■ Nun endlich auch als Buch: Was will uns diese Krankheit sagen?Fünfhundert Symptome

Schon zwanzigtausend Leute sollen an seinen Seminaren teilgenommen haben. Freiwillig. Bernhard P. Wirth lebt auf Teneriffa, sein Körpersprache-Seminar „Was will dir dein Körper eigentlich sagen“ gibt er seit 1985. Nun hat er endlich einen Verlag gefunden, der auch sein Buch veröffentlichen wollte. „Heile Dich selbst“ so heißt es, „...sonst heilt Dich keiner!“ Wirth widmet es den Menschen, die krank sind – und den Menschen, die kranke Menschen kennen. Seine Intention ist dabei nicht, Erkenntnisse der Schulmedizin zu vermitteln – Begriffe wie „Arzt“ oder „Apotheker“ tauchen erst gar nicht im Stichwortverzeichnis auf –, sondern er macht das ganz auf die Esoterische, mit Planeten- Konstellationen (analoge Urprinzipien), Meditationsanleitungen und Texten, die darauf abzielen, sich ganz auf sich selbst zu besinnen und in den eigenen Körper hineinzuhören. Seine Vorgehensweise erinnert in den Anfangskapiteln ein wenig an den ARD-Pfarrer Jürgen Fliege, nur weiß der wenigstens, wie man mit Leuten umgeht. Aber wer auch nur einen Funken Hirn im Schädel hat, fällt auf Fliege genausowenig herein wie auf den Scharlatan Wirth.

Unter den vielen Neuerscheinungen am Buchmarkt – letztes Jahr waren es ja allein im deutschsprachigen Raum 77.889 – gibt es nur ganz wenige, die überhaupt erwähnenswert sind. Bei Licht betrachtet sind das weniger als ein Prozent, der Rest landet auf den Grabbeltischen bei Karstadt, Woolworth und Hugendubel. Schade um die Bäume. Aber dieses Buch ist nicht nur schlecht, es ist gemeingefährlich. Da kramt ein Autor eine trivialpsychologische Plattheit nach der anderen aus den Socken hervor, erklärt uns die Funktion der Organe und des Nervensystems anhand von Planeten – und suggeriert, daß alles nur an einem selber liegt. Niemals, so scheint es, hat er ein Krankenhaus von innen gesehen oder auch nur eine Folge „Emergency Room“ geguckt. Seine Botschaften hat sich Wirth offenbar aus noch gefährlicheren Esoterik-Büchern und medizinischen Lexika zusammengemixt. Auf fünfhundert Symptome ist er gekommen, und immer hat er ein Rezept parat. Zum Beispiel Halsschmerzen (Venus- Mars). Symbolik: Kampf um den Eingang. Das Symptom hindert daran, alles und zuviel zu schlucken. Es zwingt dazu zu klären, was geschluckt wird und was draußen bearbeitet werden soll. Die Erlösung besteht darin, kein armer Schlucker zu bleiben, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, nur reinzulassen, was weiterbringt.

Na prima. Das zeigt mal wieder, daß Psychologen ihren schlechten Ruf genau solchen Quacksalbern zu verdanken haben. Und bei aller Kritik an der Schulmedizin: Die Erkenntnis, daß Krankheiten mitunter psychosomatische Ursachen haben, hat sich sogar dort längst durchgesetzt. Wer jahrelang das Geläut eines Kirchturms ertragen muß, neben einem Kinderspielplatz wohnt, regelmäßig von hämmernden Handwerkern aus dem Schlaf geschreckt wird oder mobbenden Arbeitskollegen ausgesetzt ist, wird einfach krank. Daneben gibt es noch allerlei Berufskrankheiten, wie etwa die überlastete Schulter eines Kameramanns. Kein Wort davon in diesem Buch, statt dessen: Gleichgewicht und Harmonie. Wer Zahnstein hat, braucht nicht zum Zahnarzt, sondern soll natürliche Aggression entwickeln und entfalten. Bei einem Schädelbasisbruch kommt es darauf an, endlich die eigenen Denkstrukturen in Frage zu stellen und offen zu sein für Neues.

Ein Abschnitt dieses Buches wirbt für andere Bücher des Verlages. Nicht wie üblich hinten vor dem Umschlagdeckel, sondern in einem ganzen Kapitel. Reißerisch aufgemachte Internet- und Apple- Macintosh-Bücher werden dort inseriert. Nichts Wichtiges, aber auch nichts Esoterisches. Oder doch? „In 7 Tagen zum Spitzenverkäufer“ heißt das andere Buch von Bernhard P. Wirth. Auf dem Umschlag ist er abgebildet: Das ist keiner, von dem man einen Gebrauchtwagen kaufen würde. Dieter Grönling

Bernhard P. Wirth: „Heile Dich selbst ... sonst heilt Dich keiner“, SmartBooks, Kilchberg (CH), ISBN 3-907601-01-7, 49 DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen