Kommentar: Zunehmende Handlungsunfähigkeit
■ Die UNO wird kaputtgespart, und keiner merkt's
Was immer die Motive derjenigen sind, die dem US-Präsidenten aus seinem Meineid über außereheliche Sexbeziehungen einen Strick drehen wollen – eines haben sie erreicht: Themen, die nicht nur für Bill, Hillary und Monica, sondern für Milliarden Menschen wichtig, ja überlebenswichtig sind, interessieren derzeit kaum noch. Das gilt, wie die gestrige Generaldebatte in der UNO-Vollversammlung zeigte, längst nicht mehr nur für die Medien und die öffentliche Diskussion in den USA. An Clintons Redepassagen zur Krise in Rußland, der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise und den Herausforderungen der Globalisierung oder zu den Konflikten im Kosovo und im Nahen Osten interessiert nur noch, ob er damit von der Lewinsky- Affäre ablenken und vielleicht sein politisches Überleben sichern kann. Gleiches gilt für seine New Yorker Gespräche mit den Staats- und Regierungschefs Irans, Pakistans und anderer Staaten.
Wenig Aufmerksamkeit finden auch die bisherigen Ergebnisse einer weitgehenden UNO-Reform, die zum Auftakt der Generaldebatte vor einem Jahr – gerade auf den Druck Washingtons – von Generalsekretär Kofi Annan angekündigt wurde. Dabei wäre gerade dies dringend notwendig. Denn neben einigen begrüßenswerten Maßnahmen zur Modernisierung und Effektivierung des UNO-Apparates bestanden die bisherigen Reformen vor allem aus massiven Kürzungen von Personal und Programm. Die UNO und ihre Sonderorganisationen sind immer weniger handlungsfähig.
Das gilt nicht nur für Konfliktprävention und Friedenssicherung – Aufgaben, die nach Ansicht der USA und einiger anderer westlicher Staaten ohnehin besser bei der Nato aufgehoben wären –, sondern zunehmend auch für den humanitären Bereich. Im Sudan und anderen aus europäisch/nordamerikanischer Sicht entlegenen Weltregionen ist das schon lange der Fall.
Die sich anbahnende humanitäre Katastrophe im Kosovo wird die zunehmende Handlungsunfähigkeit der UNO in den kommenden Wintermonaten auch der Öffentlichkeit in Europa und Nordamerika wieder drastisch vor Augen führen. Einige Hunderttausende Kriegs- und Hungertote später und wenn sich die Wogen über Bills Sexaffären gelegt haben, wird das sogenannte Versagen der UNO wieder auf der Welttagesordnung stehen. Andreas Zumach
Bericht Seite 10
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