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Wiegenlied für Spatzen

■ Mitsamt dem alternativen US-Landadel jagt Sparklehorse-Chef Mark Linkous seinen Rock durch alte Transistorradios

Als offene Rechnung mit vielen Unbekannten bleibt der große Abgang eine Herausforderung für jeden Kreativen, selbst – oder gerade – dann, wenn man dem eigenen Ende schon näher war als einem lieb sein kann. Sparklehorse-Chef Mark Linkous etwa mußte nach einer Herzattacke fast eine ganze Nacht auf dem Boden eines Hotelzimmers verbringen, bevor man ihn dreivierteltod endlich fand. Und weil er sich dabei auch noch sein Bein fürchterlich verdreht hatte, gings danach erst lange ins Krankenhaus und dann vorübergehend in den Rollstuhl.

Was Wunder, daß ein Song wie „Sick Of Goodbyes“, den Co-Autor David Lowery einst schon mit seiner Band Cracker interpretierte, plötzlich eine ganz andere Bedeutung bekommt. Zu finden ist die neue Version auf dem aktuellen Sparklehorse-Album Good Morning Spider, das der vielseitig Begabte Linkous größtenteils daheim auf seiner Farm in Sweet Virginia eingespielt hat.

Dort haust er samt Frau, allerlei Viechern und einem stattlichen Fuhrpark aus Moto Guzzis und hübsch bemalten Vintage-Traktoren. Alle paar Jahre darf er tatsächlich ein Album für eine große Firma machen, die ihm schon den Titel fürs 95er Debüt (Vivadixiesubmarinetransmissionplot) nicht raus- und auch diesmal kaum reinredete. Schließlich sind sogar Radiohead Linkous-Fans.

Mitsamt mittuenden Nachbarn wie eben Lowery, Stephen McCarty und Johnny Hott (House Of Freaks, Gutterball) oder auch Vic Chesnutt, der bei „Sunshine“ locker den Schirm aufspannt, zählt Linkous zwar klar zum alternativen US-Landadel, hat aber mit den vielbeschworenen Roots eher wenig im Sinn. Lieber jagt er seinen Rock durch eine Chaos-Galaxie aus alten Transistorradios und liebt seinen Pop in charmanter Casio-Manier („Ghost Of His Smile“).

Am besten aber ist Mark Linkous mit seiner rechten Hand Sofia Mitchalitsianos als Wiedergänger von Nick Drake und Syd Barret in Personalunion. Dann besingt er – ebenso verzückend wie verstörend – die „Painbirds“, wünscht sich Glück vom Junikäfer, und bringt Hunderten von Spatzen ein tröstliches Wiegenlied dar. Die sanfte Aufforderung „Come On In“ gilt allerdings dem Sensenmann. Für ihn ein Unbekannter weniger. Oder zumindest einer, der plötzlich ein Gesicht bekommen hat.

Jörg Feyer Fr, 25. September, 21 Uhr, Logo

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