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Zahnloser UNO-Beschluß zum Kosovo

Die Resolution des Sicherheitsrates enthält keinerlei militärische Drohungen. Auch die gegenwärtigen Planungen der Nato können nicht darüber hinwegtäuschen, daß es keinen politischen Konsens gibt  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die in der Nacht zum Donnerstag verabschiedete Resolution 1199 des UNO-Sicherheitsrates zum Kosovo-Konflikt dürfte Slobodan Milošević kaum beeindrucken. Dem jugoslawischen Präsidenten bleiben noch Wochen, um seine militärischen Aktionen zur Vernichtung der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) und zur Vertreibung albanischer Zivilbevölkerung ohne Einschränkung fortzusetzen.

Entgegen anderslautenden Meldungen und diversen Äußerungen westlicher Politiker läßt sich auch mit größter interpretatorischer Kunstfertigkeit kein einziger Satz der Resolution als „Drohung mit“ oder „Vorstufe zu“ militärischen Maßnahmen oder auch nur nichtmilitärischen Sanktionen interpretieren. Zwar trägt der entscheidende Beschlußteil der Resolution die Überschrift: „Der Sicherheitsrat handelt unter Berufung auf Kapitel 7 der UNO- Charta.“ Dieses Kapitel sieht in Artikel 41 die Möglichkeit nichtmilitärischer Zwangsmaßnahmen (Wirtschaftssanktionen, Blockaden etc.) vor sowie, falls diese „nicht das gewünschte Ergebnis zeigen“, auch militärische Maßnahmen (Artikel 42).

Doch in den ersten 15 von insgesamt 17 Paragraphen der Resolution werden lediglich sämtliche Forderungen an Belgrad wiederholt, die die Balkan-Kontaktgruppe, die EU und die USA seit Ende Februar mehrfach aufgestellt hatten – zunächst „ultimativ“ und dann nach dem Schwenk der Clinton-Administration vom Juni in deutlich abgeschwächter Form. Einige der Forderungen in der Resolution – wie z. B. nach einem Waffenstillstand – richten sich auch an die Kosovo-Albaner. Ein Hinweis auf mögliche Zwangsmaßnahmen nach Artikel 41 oder 42 der UNO-Charta fehlt ebenso wie die aus der Golfkriegs-Resolution vom November 1990 bekannte Formel, wonach der Sicherheitsrat die UNO-Mitgliedsstaaten zur „Ergreifung aller notwendigen Maßnahmen ermächtigt“, um seine Forderungen durchzusetzen.

In den beiden letzten Paragraphen heißt es lediglich: „Der Rat bleibt mit der Angelegenheit befaßt. Er wird über weitere Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung von Frieden und Stabilität in der Region beraten, sollten die konkreten Forderungen dieser Resolution nicht erfüllt werden.“ Für die Erfüllung setzte der Rat Belgrad und den Kosovo-Albanern kein Zeitlimit.

Sowohl für nichtmilitärische wie für militärische Maßnahmen der UNO wäre daher auf jeden Fall ein weiterer Beschluß des Sicherheitsrates erforderlich. Und ob der zustande käme, ist fraglich – nicht nur wegen der bisherigen Haltung Rußlands, sondern auch der Nato. Selbst wenn die gestrigen Beschlüsse der Verteidigungsminister, die operativen Planungen und Vorbereitungen für etwaige Militäraktionen voranzutreiben, einen anderen Eindruck erwecken mögen: Politisch besteht unter den 16 Nato-Regierungen weiterhin kein Konsens – weder über militärische Maßnahmen noch über eine Verschärfung nichtmilitärischer Sanktionen. Das gilt für Maßnahmen und Sanktionen im Rahmen eines UNO-Mandats – das heißt mit Zustimmung oder bei Enthaltung Rußlands – und noch mehr für die Variante eines Alleingangs der Nato. Und Milošević kann kalkulieren, daß sich Konsens und Handlungsfähigkeit der Nato allein schon wegen der Wahlen in Deutschland und Clintons anhaltenden innenpolitischen Problemen bis zu den US-Kongreßwahlen Anfang November kaum einstellen werden.

Nach Meinung des jugoslawischen Außenministers Zivadin Jovanović gibt es für die UN-Resolution „weder eine rechtliche noch eine politische Grundlage“. Die Resolution sei Ausdruck der „Politik des Drucks“ und in ihr würden Tatsachen und „positive Prozesse“, wie die „Verbesserung“ der Lage und „erfolgreiche Prozesse“ im humanitären Bereich, in der südjugoslawischen Krisenprovinz übersehen, zitierte die Agentur Tanjug den Minister.

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